Hamburg. Das Cleveland Orchestra und Franz Welser-Möst präsentieren mit Berg und Bruckner im Großen Saal einen gelungenen Konzertabend.

Eines geht noch, eines geht noch rein in die randvollen ersten Spielzeit-Tage der Elbphilharmonie. Nach Pittsburgh und Philadelphia nun also, und ebenfalls an zwei Abenden hintereinander: The Cleveland Orchestra. Szell hat es legendär geschunden, Dohnányi hat es legendär geprägt, Franz Welser-Möst hat es gut im Griff, seit inzwischen zwei Jahrzehnten bereits. Da muss man längst nicht mehr groß reden oder im Konzert gestisch noch größer ausholen, wenn man schon seine Porzellanhochzeit feiern kann.

Der Charakter des jeweiligen US-Chefdirigenten prägte auch die beiden Cleveland-Aufritte: Welser-Möst kombinierte klug zwei große ABs der Musikgeschichte, die weit mehr trennt als nur einige Jahrzehnte: Alban Berg, mit dessen „Lyrischer Suite“, und Anton Bruckner, mit der Neunten, seinem letzten großen, unvollendet gebliebenen Gebet um Vergebung und Verklärung.

Konzertkritik: Jede Sinfonie ein Bekenntniswerk

Bei Bruckner ist jede Sinfonie eh Bekenntniswerk, in Bergs Streicher-Sätzen verbergen sich höchstpersönliche Anspielungen auf eine Affäre mit einer ebenfalls verheirateten Frau. Der Faszination für diese auch atonale und dabei doch noch wild spätromantisch wirkende Musik tut dieses Nebenwissen keinen Abbruch, sie wirkt auch so unmittelbar, wie so vieles aus jener Epoche, die den Weg ins Andere suchte.

Die Cleveland-Streicher formten mit intensivem Schönheitsstreben und präzise ausformulierender Klangkultur ein Erlebnis, dass erahnen ließ, wie revolutionär und verwegen Berg seinerzeit gewirkt und verstört haben muss.

Konzertkritik: Bruckner mit unendlichen Weiten

Danach: Bruckner. Fast unendliche Weiten, große Bögen, die Pflicht zur Disziplin im Umgang mit Zeit und Raum. Im ersten Satz gelang das alles Welser-Möst mit bestechender Transparenz. Der Orchesterklang: edel, anders funkelnd als die Kollegen aus Philadelphia, eher von innen heraus wärmend. Tolles Holz, ganz tolles Blech, klar.

Die hämmernd treibenden Akzente im Hauptmotiv des Scherzo-Satzes nahm Welser-Möst straff und elastisch, anstatt sie hart aufeinanderprallen zu lassen. Das Adagio leuchte, danach folgte der sicherste Beweis für einen gelungenen Bruckner: mächtige, lange Stille.

Aktuelle Aufnahme: Strauss „Macbeth / Don Juan / Till Eulenspiegel“ Cleveland O., Welser-Möst (Note 1, CD ca. 22 Euro)

Heute, 20 Uhr, findet das zweite Konzert vom Cleveland Orchestra statt, mit Rihms "Verwandlung 2 & 3" und Schuberts 8. Sinfonie. Elbphilharmonie, Gr. Saal. evtl. Restkarten an der Abendkasse.