Hamburg. Im Nachhall des SHMF überzeugt der Bühnenstar mit dem jungen Bariton Andrè Schuen und seinem Klavierbegleiter Daniel Heide.

Die Rettung zerstörten Glücks durch unzerstörbare Liebe ist das Thema so vieler Liebesgeschichten der Literatur. Im mittelalterlichen Sagenstoff von der „Schönen Magelone“, den Veit Warbeck und Hans Sachs im 16. Jahrhundert in zahlreichen Buchauflagen verbreiteten und dem Romantiker Ludwig Tieck damit eine Steilvorlage für eine Erzählung lieferten, wird die Gefühlswelt der Liebenden allerdings so zugespitzt zum Träger des Geschehens, dass die Grenze zum Sentimentalen überschritten zu werden droht.

Johannes Brahms wählte den Stoff trotzdem für seinen einzigen Liederzyklus, der aus 15 Romanzen besteht, die genau diese Gefühlswelten beschreiben, nicht aber den Verlauf der Geschichte. Aus diesem Grund führt man die Lieder gern mit unterbrechenden Textrezitationen aus Tiecks Erzählung auf, für die man beim gefeierten SHMF-Auftritt des jungen Baritons Andrè Schuen mit seinem Klavierbegleiter Daniel Heide am Dienstag in der Hamburger Laeiszhalle keinen Geringeren als Klaus Maria Brandauer gewinnen konnte.

Konzertkritik: Brandauer und Brahms verschmelzen in der Laeiszhalle

Brandauer nun rezitierte die Texte nicht nur, er spielte sie und ließ den Eindruck entstehen, er stünde auf einer Theaterbühne. Mal hielt er eine Hand vor die Stirn, als müsse er sich vor der blendenden Sonne schützen. Dann stockte seine Stimme, verfiel ins Heisere, wenn jemand etwas unter großem inneren Druck mitteilen will, oder er trennte die Silben wichtiger Wörter durch lange Pausen.

Und weil Peter von Provence bei Tieck eben auch ein Sänger ist, der mit Hilfe seiner Laute seine Gefühle zu verarbeiten sucht, stellte er gestisch immer wieder eine enge Verbindung zum Sänger her. Wort und Musik verschmolzen auch dadurch, dass Brandauer keine Pause zwischen dem letzten gespielten Ton und dem Fortgang seiner Erzählung ließ und manchmal sogar den letzten gesungenen Satz als Übergang noch einmal wiederholte.

Junge Bariton Andrè Schuen überzeugt in der Laeiszhalle

Der großartige, aus Südtirol stammende Bariton Andrè Schuen, um den sich die großen Häuser von der Bayerischen bis zur Wiener Staatsoper und Dirigenten wie Andris Nelsons oder Jukka-Pekka Saraste reißen, reagierte darauf mit einer sehr lyrischen, niemals durch übertriebenen Ausdruck zerstörenden Gestaltung. Wie Brandauer als Rezitator wählte auch er zuweilen einzelne Wörter in den Liedern aus, denen er eine besondere Färbung zukommen ließ.

Eine nur gehauchte „Hoffnung“ oder das Wörtchen „Dämmerung“ in schlankstem Pianissimo und ein „Morgen“ mit großem Intervallsprung, bei dem man die aufgehende Sonne förmlich „hören“ konnte. Oft gelang es Schuen, den Hörer auch zwischen den Zeilen lesen oder besser hören zu lassen. Im Lied „Wie soll ich die Freude, die Wonne tragen?“ war trotz all der Erregung über die Erwiderung von Magelones Liebe schon eine leichte Furcht zu spüren, bei der man das nahende Unglück einer Trennung ahnen konnte.

Eindrucksvoller SHMF-Abend mit Klaus Maria Brandauer

Dass Schuens Stimme in der hohen Lage fast tenoral und in der tiefen Lage überaus glänzend und sonor klingt, erzeugte zudem starke Kontrastmomente. Der Klavierbegleiter Daniel Heide sorgte für wirkungsvolle emotionale Wellen, wenn er das Lied der ebenfalls in Peter von Provence verliebten Sultanstochter Sulima dann in schnellem Tempo mit hüpfender Gestik begleitete oder in „Verzweiflung“ die kühnen Modulationen einer weit in die Moderne vorausgreifenden Harmonik von Brahms plastisch herausarbeitete.

Am Ende schließlich schwören sich Magelone und Peter, das Lied „Treue Liebe dauert lange“ am Ort ihrer Wiederbegegnung jedes Jahr wieder zur gleichen Zeit am gleichen Ort wieder zu singen. Manche Besucherin und mancher Besucher dieses eindrucksvollen SHMF-Abends wird es wahrscheinlich aber schon auf dem Heimweg vor sich hin gesummt haben.