Hamburg. Jason Moran überrascht die Zuhörer seines 105 Minuten langen Auftritts immer wieder – und schenkt ihnen zwei Zugaben.
Nachdem er sein erstes Stück beendet hat, sitzt Jason Moran ein paar Momente regungslos hinter seinem Flügel und sammelt sich. Dann nimmt er ein Mikro und sagt: „Meine Mutter ist gerade angekommen.“ Nicht im wortwörtlichen Sinne, auf die Plätze der Elbphilharmonie hasten nur ein paar Zuspätkommende. Moran beschreibt, wie seine Mutter ihn als Kind gefördert und auch für nachlässiges Üben kritisiert habe. „Ich glaube, sie ist gerade hier und sieht mich“, sagt er. Die vorangegangene Komposition hat er mit einer kinderliedhaften Melodie in den hohen Lagen begonnen, anschließend entwickelt sie sich zu einem romantischen Stück aus purer Schönheit, bevor Moran das Tempo anzieht und sein Spiel heftiger wird.
Moran, im texanischen Houston geboren, lebt inzwischen mit seiner Familie in Harlem, weil es hier eine wachsende Gemeinschaft von afroamerikanischen Künstlern gibt, die an verschiedenen Projekten beteiligt sind. Moran zum Beispiel hat mit der berühmten Performance-Künstlerin Joan Jonas gearbeitet. Für sie hat er das minimalistische Stück „Reanimation“ geschrieben, das bei der Documenta 13 aufgeführt wurde. Auch den berühmten „Carolina Shout“, 1921 zur Zeit der Blüte von Harlem entstanden, hat er im Programm.
Elbphilharmonie: Moran überrascht mit ungewöhnlichen Sounds
Es wird zu einem mitreißenden Eintauchen in die Geschichte des Jazz – vom freien Spiel eines Cecil Taylor in den 60er-Jahren zurück in die Zeit der schwarzen Unterhaltungskünstler wie James P. Johnson oder Fats Waller. „Sie waren die DJs der damaligen Zeit“, erklärt Moran, „sie mussten einen Saal zum Tanzen bringen.“
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Während seines 105 Minuten langen Auftritts inklusive zweier Zugaben überrascht Moran die Zuhörer in der fast ausverkauften Elbphilharmonie immer wieder mit virtuosem Spiel und ungewöhnlichen Sounds wie dem düster-grummelnden „Barber“. Das hat er einem benachbarten Friseur gewidmet, der ihn schon morgens mit zu lauter Musik nervt.
Moran offenbart am Flügel seine Träume
Moran nutzt den Flügel, um in den Songs und Improvisationen sein Inneres und seine Träume zu offenbaren. „Träume sind die stille Revolution in uns“, sagt er. Sein Auftritt folgt keinem vorab überlegten Programm, der Pianist entscheidet spontan, was er spielt. „Die Konzerte sind ungeplant“, räumt er ein. Er gehört zu den Jazzmusikern, die über ein riesiges Repertoire verfügen. Hieraus kann er sich bedienen und eigene Stücke oder die anderer Komponisten miteinander verflechten.
Das Publikum ist angesichts der enormen Spielkunst und des sympathischen Auftretens dieses Künstlers aus dem Häuschen. Morans Auftritt in Hamburg ist eine Sternstunde zeitgenössischer Musik, tief verwurzelt in afroamerikanischen Traditionen.