Hamburg. In „Bullet Train“ spielt Brad Pitt einen Auftragskiller. Machart des Films erinnert an „Pulp Fiction“. Kinobesuch will überlegt sein.
Eine Zugfahrt kann der echte Horror sein. Diese Erfahrung haben in diesem Sommer viele gemacht, die das Neun-Euro-Ticket genutzt haben, um mal billig zu verreisen. Und dann in einem völlig überfüllten Zug festsaßen. Oder gar nicht erst wegkamen. Wer schlau war, hat dann doch lieber den teureren Schnellzug genommen. Aber selbst da ist die Fahrt nicht immer unbeschwert. Das zumindest zeigt, sehr überspitzt, der Reißer „Bullet Train“, der heute in die Kinos kommt.
Der Film scheint erst mal ein einziger langer Werbespot für den Shinkansen zu sein, den schnellste Zug der Welt, der in Japan bis zu 300 Stundenkilometer erreicht und von Tokio nach Kyoto nur zweieinhalb Stunden braucht statt der üblichen vier. Der Zug wird immer wieder als Werbefläche genutzt, mal für Harry Potter, mal, wie auch im Film zu sehen, für die beliebte Anime-Figur Hello Kitty. Sicher wird ein Shinkansen auch mal nach Brad Pitt designt. Denn der ist der prominenteste Star, der im „Bullet Train“ Platz nimmt.
"Bullet Train": Auf den Spuren von Quentin Tarantino
Allerdings: Dieser Film ist alles andere als eine Shinkansen-Werbung – eher schreckt er ab. Und was man von Zigarettenschachteln kennt, müsste hier eigentlich abgewandelt auch auf den Tickets stehen: „Zugfahren kann tödlich sein.“ Denn der Film wurde von Action-Routinier David Leitch gedreht, und der ist nicht gerade als zimperlich bekannt.
Fangen wir mit Brad Pitt an. Der spielt einen Killer. Aber einen im Schluffi-Look und mit Decknamen Ladybug, also: Marienkäfer. Ein bekehrter Killer, der nun auf spirituellem Weg ist und seine Aufträge friedlich angehen will. Schon das ein erster Gag. Im Zug soll er nur einen Koffer entwenden. Doch den bewachen zwei andere Killer, mit ebenfalls lustigen Namen: Lemon (Brian Tyree Henry) und Tangerine (Aaron Taylor-Johnson), also Zitrone und Mandarine. Die sollen den Koffer einem mächtigen Yakuza-Paten aushändigen, nebst dessen missratenem Sohn. Als sie nach dem verschwundenen Koffer suchen, wird der Sohn ermordet. Weshalb die beiden nun Jagd auf Ladybug machen.
"Bullet Train": Mittel des Regisseurs sind leider stark begrenzt
Das aber ist noch lange nicht genug. Denn da ist noch ein mysteriöses Mädchen mit dem maskulinen Namen Prince (Joey King) an Bord, das einen Samuraikämpfer (Logan Lerman) in den Zug lockt und erpresst, einen ebenfalls blutigen Job zu übernehmen. Ständig pfuschen sich diese Killer, ohne es zu ahnen, gegenseitig ins Handwerk. Und an den wenigen Stationen, an denen der Zug kurz hält, springt immer noch ein Killer auf, der eine offene Rechnung zu begleichen hat. Bald ist der Film ein einziges Hauen und Stechen. Was natürlich seinen besonderen Reiz darin hat, dass ein Zug, selbst ein so luxuriöser wie der Shinkansen, immer nur beschränkt Raum bietet. Und ausufernde Kampfeinlagen da schnell an schmerzhafte Grenzen stoßen.
Das klingt alles nach einem Quentin-Tarantino-Film. Und ist auch so angelegt. Mit genau dieser typisch tarantinoesken Mischung aus Gewalt, Komik und ewig langen Dialogen. Und hat nicht auch Brad Pitt endlich seinen ersten Oscar als Schauspieler für einen Tarantino-Film bekommen, für „Once Upon a Time in Hollywood“? „Bullet Train“ ist eine einzige Verneigung vor Tarantino. Man könnte freilich auch böser sagen: ein Abklatsch.
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Denn wie sich John Travolta und Samuel L. Jackson als Killer in „Pulp Fiction“ ewig lange absurde Dialoge lieferten, so tun es hier die freilich nicht ganz so prominenten Kollegen Brian Tyree Henry und Aaron Taylor-Johnson. Neben dem Wort- und Dialogwitz ist da immer noch die Situationskomik, etwa dass die Killer in einem Ruheabteil sitzen und sich erst anschreien und dann prügeln. Dabei werden sie von anderen Zuginsassen darauf hingewiesen, sich doch bitte ruhig zu verhalten. Oder zwei unterbrechen kurz eine wilde Schlägerei und tun dann ganz brav, wenn eine Bahnmitarbeiterin mit dem Kaffeewagen durchs Abteil zieht.
Was bei den ersten Malen noch ganz komisch ist, reizt sich jedoch auf Dauer aus. Und der Film kennt nur ein dramaturgisches Mittel, das er konsequent verfolgt: immer noch eins drauf. Noch ein Star. Und noch ein Überraschungsauftritt. Von Channing Tatum etwa, der nicht im Abspann genannt wird. Und ist das nicht die Stimme von Sandra Bullock, die Pitt Anweisungen per Handy gibt? Bullock und Tatum waren kürzlich die Stars im Abenteuerfilm „The Lost City“, da hatte Brad Pitt einen köstlichen Kurzauftritt. Jetzt scheinen sich die beiden zu revanchieren. Immer noch eins drauf: Das gilt auch für Kampfeinlagen. Und die Anzahl der Killer, die in den Zug drängen.
"Bullet Train": Gang ins Kino will überlegt sein
Das ermüdet. Und: Die coolen Sprüche wirken auf Dauer immer zynischer, wenn die Bluttaten immer brutaler werden. Was als recht unterhaltendes Popcorn-Kino beginnt, wird dann wieder zu einer einzigen Keilerei und Ballerei, in die sich Regisseur Leitch („John Wick“, „Atomic Blonde“) leider so oft verrennt. Da wird manchem irgendwann das Lachen oder das Popcorn (oder auch beides) im Halse stecken bleiben.
Und ob ein solch blutig-martialischer Film, wie ironisch er auch immer angelegt sein mag, wirklich das Richtige ist, um sich mal für zwei Stunden aus diesen kriegerischen Zeiten zu flüchten, das sollte man tunlichst vor dem Gang ins Kino überlegen.
„Bullet Train“ 127 Minuten, ab 16 Jahren, läuft in der Astor FilmLounge, im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Koralle, Savoy, Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek