Hamburg. Die Düsseldorfer feiern mit 20.000 Fans ihren 40. Geburtstag. Trotz langer Spielzeit und allen Hits war noch Luft nach oben.
Als Campino 1979 das erste Mal in Hamburg auftrat, war das Publikum noch nicht sehr überzeugt: Mit seiner damaligen Band ZK spielte er in der Markthalle, und besonders ein Matrose am Bühnenrand hatte schnell die Nase voll vom Rödelpunk der Düsseldorfer: „Ich hau dir auf die Fresse“, schrie er Campino immer wieder an. Mit den Nachfolgern von ZK, den Toten Hosen, lief es in Hamburg besser.
Von den kurzlebigen Punk-Kaschemmen „Graffiti“ in Sasel und „Krawall“ am Fischmarkt über die Fabrik und Docks spielten sich die Toten Hosen immer weiter nach oben. Und jetzt stehen sie beim 41. Besuch an der Elbe am Donnerstag vor 20.000 Fans im ausverkauften Volkspark und feiern ihren 40. Bandgeburtstag. „Nichts bleibt für die Ewigkeit“, heißt eine Single der Hosen aus den 90ern, die leider schon lange nicht mehr live gespielt wird. Aber die Toten Hosen scheinen für die Ewigkeit bleiben zu wollen. Auch an diesem Abend.
Die Toten Hosen in Hamburg: Nicht laut genug?
Mit dem neuen Lied „Alle sagen das“, „Auswärtsspiel“ (Campino: „Im Hoheitsgebiet des HSV“) und „Altes Fieber“ (Campino lenzt Dosenbier) wird nicht nur der Abend begonnen, sondern auch die Konzertreihe „Open Air im Volkspark“. Nach einem ersten Test vor fünf Jahren mit den dänischen Metal-Rock’n’Rollern Volbeat soll der Parkplatz Weiß auf der Ostseite des Volksparkstadions jetzt regelmäßiger bespielt werden, dieses Jahr noch von Marteria (16. Juli), Jan Delay (21. Juli), Trailerpark (22. Juli) und den Hosen-Kumpels Broilers (23. Juli).
Die Fans sind bei den Hosen noch etwas orientierungslos: Während hinten nach dem Einlassbereich vor allem an den Bierständen dichtes Gedränge herrscht, klaffen in der Mitte zumindest bei der Vorband Feine Sahne Fischfilet große Lücken. Aber das rüttelt sich noch zurecht. Das Gelände hat jedenfalls was, der Verkehrsanschluss ist okay, und der Schall geht Richtung Osten zu Müllverbrennungsanlage, Industriegebiet und Autobahn. Da kann man schon ein wenig mehr aufdrehen. Oder: könnte. In Reihe 20 kann man sich gepflegt unterhalten. Lauter wäre schön.
Aber auch das ist eine Frage des Standpunkts. Wer weiß, wie es weiter hinten klingt. In den Sozialen Netzwerken berichten Balkonhörer jedenfalls von klar verständlichen Texten in mehreren Kilometern Entfernung, von Othmarschen bis Eimsbüttel.
Die Toten Hosen: Worauf Fans warteten
Die Klassiker „Bonnie & Clyde“ und „Liebeslied“ („Für St. Pauli“) werden von den Fans klar verständlich mitgesungen. Die Ultras mit ihren Fahnen und Bengalos in den vorderen Reihen feiern wie immer alles ab, was sich Campino, die Gitarristen Kuddel und Breiti, Basser Andi und Schlagzeuger Vom aus 40 Jahren Bandgeschichte für die von Abend zu Abend variierte Setliste ausgesucht haben. Weiter hinten löscht man bei „112“ (Campino: „Sind wir hier in Cloppenburg oder Hamburg? Das wollt ihr uns anbieten?“) Hannes Waders „Heute hier, morgen dort“ und „Kamikaze“ den Durst.
Campino erkennt das, feuert die Menge immer wieder an, nimmt bei „Wannsee“ ein Bad in der Menge und kann bei der Ansage zur Rarität „Was zählt“ auch Sarkasmus: „Wo sind die Drei, die sich darüber freuen?“ Es gibt sogar ein Weihnachtslied, Kuddel brüllt wie seinerzeit der „Auf die Fresse“-Matrose „Still, still, still“. Man erträgt es mit Fassung.
So ist das als 40 Jahre junge Band: Es kommen viele, freuen sich aber geduldig auf die Hits, auf „Steh auf, wenn Du am Boden bist“, „Alles aus Liebe“, Wünsch dir was“ und „Hier kommt Alex“. Da wird dann auch das Moos vom Parkplatz-Beton gefetzt, aber vergleichsweise entspannt. Da gab es bei den 40 Hamburg-Konzerten davor schon heißere Hexenkessel.
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Die Toten Hosen: Im Volkspark etwas anders
Das war die erste halbe Ewigkeit. Jetzt kommen die Zugaben, und auch die nehmen kein Ende. „Alles wird vorübergehen“, „Schrei nach Liebe“ von Die Ärzte („Junge Talente aus Berlin“), „Zehn kleine Jägermeister“, „Schönen Gruß, auf Wiederseh‘n“. Kurz Luft holen. „Tage wie diese“ („Kein Ende in Sicht“), „Verschwende deine Zeit“, „Freunde“. Campino wirkt jetzt so, als könnte er das mehrfach in Abendblatt-Interviews gegebene Versprechen brechen, mit 60 Jahren nicht mehr in die Lichttraversen zu klettern. Aber er bleibt am Boden.
Dann kommt „You‘ll Never Walk Alone“, das Campino Liverpool- und HSV-Legende Kevin Keegan widmet – und das traditionell Hosen-Konzerte abschließt. Aber nicht hier und heute. „Jetzt kommen Rausschmeißermelodien, es wird hässlich“, ruft Campino und zählt das 30 Jahre nicht gespielte „Die Farbe Grau“ ein, das in „Alles wird gut“ übergeht. Letzte Bestellung: „Eisgekühlter Bommerlunder“. Das ist das Ende. Schinken und Ei. Ein Song für die Atemfrische.
Insgesamt ist es ein solides Konzerterlebnis mit einigem Optimierungsbedarf für die weitere Saison im Volkspark. Die Toten Hosen haben jedenfalls 135 Minuten lang wie immer alles gegeben. Mehr Bier, vielleicht mit dem „Altbierlied“, und mehr laut wäre trotzdem toll. Wir sind hier doch bei „Wünsch dir was“, oder?