Hamburg. NDR Elbphilharmonie Orchester im Uebel & Gefährlich – mit Geiger Christian Tetzlaff und geschlossener Bar beim Konzert.
Wird eine Idee, um die angeblich enorm anstrengende, gestrige, spröde Klassik für Nicht- und Noch-Nicht-Kenner attraktiv zu machen, dadurch schlechter, dass sie nicht so neu ist wie ihr Hashtag? Als von einer Musikstadt Hamburg, wie sie sich jetzt darstellt, noch längst keine Rede sein konnte, gab es bereits einige „Yellow Lounge“-Konzerte in hiesigen Clubs. Dann aber topfte die dazugehörige Plattenfirma das Konzept aus Angst vor langem Atem zu den vermeintlich hipperen Hauptstadt-Hipstern nach Berlin um. Es gab Klassik-Formate in Reeperbahn-Clubs, das Ensemble Resonanz hat mittlerweile Arbeitsmittelpunkt und eine tolle Live-Adresse im „resonanzraum“ im Bunker an der Feldstraße. Es geht so einiges jetzt.
Ausgerechnet im Bunker, einige Etagen höher, hat neuerdings nun auch das große NDR Elbphilharmonie Orchester eine kleine, selbstorganisierte Off-Elbphilharmonie-Filiale im Angebot; moderiert wurde am Sonnabend von der NDR-Hornistin Amanda Kleinbart (ein kleiner Gruß an die Berliner Philharmoniker, bei denen die Kollegin Sarah Willis sehr gekonnt und multimedial ins Horn stößt).
Klassik im Uebel & Gefährlich mit Geiger Christian Tetzlaff
Der erste „#übelst_unverstärkt“-Abend im Uebel & Gefährlich war auch ein kurzes Schaulaufen für den neuen Chefdirigenten Alan Gilbert, der sich basisdemokratisch als Kammermusiker zeigte.
Bei Runde zwei, zwischen zwei regulären Auftritten im Design-Neubau an der Elbe, waren es der Geiger Christian Tetzlaff und seine Schwester, die Cellistin Tanja Tetzlaff, deren eingespielter Klavier-Partner Lars Vogt und zwei NDR-Streicher, die sich ins Vierfünfteldunkel des amtlich abgewetzten Clubs setzten. Das Publikum: interessant gemischt, klassische Klassik-Abonnenten waren eher in der Unterzahl, der Altersdurchschnitt entsprechend vielversprechend, perspektivisch gedacht.
Klassik unplugged im Bunker – mit geschlossener Bar
Personell aufgestockt mit dem NDR-Bratscher Jan Larsen und der NDR-Geigerin Bettina Lenz-Grotelüschen, spielten die drei mit großer Inbrunst Brahms‘ f-Moll-Klavierquintett. Komplett unplugged, nur vom unabstellbaren, aber erträglichen Grundrauschen der Club-Klimaanlage begleitet.
Die Bar war geschlossen, die Konzentration deswegen einzig auf die Bühne unterhalb der pausierenden Discokugel ausgerichtet. Eine Akustik-Debatte wäre hier fehl am Platz, denn unter der niedrigen Decke plumpsten die Töne förmlich zu Boden. Aber dennoch kam die Botschaften von Brahms‘ Noten an: Wir sind wichtig. Wir sind aufrichtig. Noch intensiver war dieser Eindruck beim 1944 geschriebenen e-Moll-Klaviertrio von Schostakowitsch, das an eine Zeit der Verluste, Katastrophen und Umbrüche erinnerte. Das harmonische Nebeneinander von Drinks und Opuszahlen ist also möglich.