Hamburg. Bremer Figurentheater Bühne Cipolla begibt sich auf Dostojewskis Spuren – mit einem eigenwilligen wie abgründigen Ergebnis.

Der Typ ist unsympathisch. Rechthaberisch, selbstmitleidig, misanthrop. Außerdem scheucht er die Künstler über die Bühne, alles machen sie falsch, nichts läuft so, wie er es sich wünscht. Der Typ ist: eine Puppe.

Fjodor Dostojewski hat mit seiner Novelle „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ das Psychogramm eines radikalen Aussteigers geschrieben: Ein Beamter mittleren Alters quittiert den ungeliebten Job und entscheidet sich, finanziert von einer bescheidenen Erbschaft, fortan in einer Petersburger Kellerwohnung zu leben, möglichst ohne Kontakt zu anderen Menschen. Was nicht wirklich funktioniert – er sucht Streit mit einem Militär, er benimmt sich auf einem Klassentreffen daneben, er hat ein kurzes Tête-à-Tête.

Privattheatertage im Altonaer Theater: Düsterer Spaß

Als „Keller“ zeigte das Bremer Figurentheater Bühne Cipolla den Stoff bei den Privattheatertagen im Altonaer Theater: radikal entschlackt, aber im Grunde nahe an der Vorlage. Was eben auch heißt: nahe am Abgrund.

„75 Minuten düsteren Spaß“ versprach Privattheatertage-Juror Martin Woestmeyer dem Publikum im Vorfeld, und die Aufführung löste dieses Versprechen ein: Die von Melanie Kuhl gestaltete Puppe ist eine Ausgeburt von Weltverneinung und -ekel, Sabastian Kautz dirigierte sie mit Mut zur Selbstentblößung unter den Unausstehlichkeiten des Puppenprotagonisten, und Gero John spielte einen dunklen Gothic-Score an Cello und Sampler dazu.

Man kennt solche Arbeiten von der Bühne Cipolla auch in Hamburg – das ungewöhnliche Ensemble spielt immer wieder an der Elbe, zuletzt unter anderem in den Kammerspielen, am Hamburger Puppentheater und in der Elbphilharmonie, 2019 erhielten die Bremer bei den Privattheatertagen für „Der Untergang des Hauses Usher“ den Monica-Bleibtreu-Preis. Und doch kann man von solch eigenwillig-abgründigen Figurentheater-Zugriffen auf literarische Stoffe nie genug bekommen.

  • Privattheatertage bis 3. Juli, Vorstellungen: „Clockwork Orange“, 1.7., 19.30 Uhr, The English Theatre, „Die Wahrheiten“, 2.7., 19.30, Hamburger Kammerspiele, Verleihung des Monica-Bleibtreu-Preises, 3.7., 19 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Tickets und Info: www.privattheatertage.de