Hamburg. Unter Leitung von Saxofonist Chris Potter brilliert das SF Jazz Collective im Großen Saal. Und legt dabei die Finger in viele Wunden.
Mehr als 50 Jahre alt ist Marvin Gayes Song „What’s Going On“, doch von seiner Aktualität hat dieser während des Vietnamkrieges entstandene Soul-Klassiker nichts verloren. Deshalb passt er ideal ins Konzept des SFJazz Collective. „New Works Reflecting The Moment“ heißt das Programm, mit dem das neunköpfige Ensemble gerade auf Tournee ist und dabei auch in der ausverkauften Elbphilharmonie gastiert.
Elbphilharmonie: "War is not the answer"
„War ist not the answer“, hat Marvin Gaye gesungen, doch wir erleben immer noch Kriege auf der ganzen Welt: Putins verbrecherischen Überfall auf die Ukraine, Bürgerkriege und Unterdrückung in vielen Erdteilen, aber auch den brutalen Eingriff in die Rechte von Frauen in den USA durch ein Urteil des Obersten Gerichthofs gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Etienne Charles, Trompeter und Perkussionist des SFJazz Collectives hat die Nummer mit einem langen perkussiven Intro neu arrangiert, Martin Luther McCoy singt Gayes Text mit der nötigen Emphase.
Es ist nicht das einzige politisch-poetische Werk an diesem Abend. „8’46’’, von Pianist Edward Simon geschrieben, würdigt den vor zwei Jahren durch Polizeigewalt gestorbenen George Floyd, der acht Minuten und 46 Sekunden lang nach Luft rang, bevor ihm der weiße Polizist Derek Chauvin das Leben nahm. „Mutuality“ („Gemeinsamkeit“) heißt ein Stück, das Saxofonist Chris Potter geschrieben hat.
Dieses Schlüsselwort tauchte immer wieder in den Reden des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr. auf. Das Kollektiv beschäftigt sich in den neuen Stücken und den Bearbeitungen mit rassistischen Ungerechtigkeiten, mit der globalen Pandemie, mit Krieg und drängenden sozialen Fragen und drückt das in komplexen Kompositionen und Texten aus.
Elbphilharmonie-Publikum begeistert von Vibraphonist Warren Wolf
Dieses Nonett ist eine Gruppe von exquisiten Musikern und Sän gern, die allesamt zur Elite des zeitgenössischen Jazz gehören. Als „musical director“ fungiert in diesem Jahr der Saxofonist Chris Potter. Seit das SFJazz Collective 2004 von Joshua Redman als Projekt für das Jazzfestival von San Francisco gegründet wurde, finden sich jedes Jahr Musiker aus der Crème de la Crème der USA zusammen, um ein neues Projekt in Angriff zu nehmen.
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Beim Hamburger Konzert ist das Publikum besonders begeistert vom Vibraphonisten Warren Wolf, vom puertorikanischen Saxofonisten David Sánchez und von Schlagzeuger Kendrick Scott. Der sitzt im Dreiteiler mit Einstecktuch hinter seinen Drums und ist bei aller Virtuosität die Lässigkeit in Person. Nach gut 100 Minuten wird dieses großartige Ensemble mit Jubelstürmen von der Bühne verabschiedet.