Timmendorfer Strand. Beim Jazz-Festival in Timmendorfer Strand herrscht entspannte Urlaubsstimmung, selbst wenn nicht immer alles rund läuft.
Die Luft hat 26, das Wasser 17 Grad, der Himmel ist wolkenlos, kreischend segeln Möwen über die Ostsee und dann ist da auch noch der verführerische Duft frisch gebackenen Flammkuchens: Was die Rahmenbedingungen angeht, ist das JazzBaltica in Timmendorfer Strand kaum zu toppen. Das wissen auch die Stammgäste (Altersschnitt Ü 55), die ihre bisweilen jahrzehntelange Treue zu diesem Happening, das seit 2012 von Posaunist Nils Landgren geleitet wird, durch das stolze Tragen alter Festivalshirts demonstrieren. Vier Tage lang ist der Urlaubsort an der Ostsee Jazzmetropole, folgt hier ein Konzert auf das andere – und das bei häufig freiem Eintritt.
Deshalb sind hier nicht nur die eingefleischten Jazzfreaks zu finden, die sich schon viele Monate im voraus ihr Ticket gesichert haben, auch Laufkundschaft, eigentlich zum Baden und Sonnen gekommen, lässt sich von den Klängen verführen, die etwa aus dem JazzCafé dringen, in dem am Sonnabendnachmittag das Quartett des estnischen Schlagzeugers Ramuel Tafenau spielt.
Timmendorfer Strand: Die Hauptbühne ist die große Schwäche JazzBaltica
Nur wenige, die das gläserne Rund bis zum letzten Platz füllen, dürften diese Formation bisher auf dem Zettel gehabt haben, aber der groovende Modern Jazz passt einfach perfekt zur Ferienstimmung – und wer es besonders entspannt mag, der lagert auf mitgebrachten Decken vor dem Areal. Auch zwischen den hohen Kiefern ist der Sound nämlich überraschend gut.
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Tatsächlich lassen sich etwa drei Viertel der mehr als 30 Veranstaltungen kostenlos genießen, lediglich für die Konzerte auf der Hauptbühne im Maritim Hotel werden Tickets benötigt. Und diese Bühne ist dann auch der einzige Schwachpunkt des ansonsten exzellent organisierten Festivals. In der Bausünde der späten 60er Jahre scheint es keine Klimaanlage zu geben – oder sie ist abgestellt.
Jedenfalls steigen die Temperaturen massiv, sobald sich die Türen zum großen Saal geschlossen haben. Ein Lüftungskonzept ist nicht auszumachen, und wenn dann noch eine Umbaupause von fast anderthalb Stunden zwischen den Auftritten der NDR Bigband und Sängerin China Moses hinzukommt (nicht die einzige Verzögerung an diesem Tag), braucht es schon eine ordentliche Portion Urlaubsgelassenheit, um in fröhlicher Festivalstimmung zu bleiben.
Timmendorfer Strand: Um Mitternacht spielt Nils Landgren am Strand
Doch wer sich durchkämpft und auch die Bar im Foyer mit einer Mischung aus nostalgischer Verklärung und Humor nimmt (Wein gibt es in den Farbvarianten „weiß/rot/rosé“, Softdrinks lediglich in der Cola/Fanta/Sprite-Dreifaltigkeit), wird musikalisch reich belohnt. Denn China Moses und ihre Band lassen die ungünstigen Umständen schnell vergessen; ihre Mischung aus Jazz, Soul und R&B ist mitreißend, in den Gängen wird sogar getanzt und dann auch noch begeistert eine Zugabe erklatscht.
Wer mag, schlendert danach (frische Luft!) zum Sophia Oster Quartett im JazzCafé oder genießt einfach den Blick auf die stille Ostsee, bis es auf der Hauptbühne mit Enders Room und der Formation XXXX um Pianist Michael Wollny weitergeht. Für den Absacker sorgt Festivalleiter Nils Landgren selbst: Um Mitternacht spielt er direkt am Strand. Mehr Jazz-Urlaubsfeeling geht nicht.