Hamburg. Schlechtes Wetter, überflüssige Sitzreihen und Zimmerlautstärke waren kein Hindernis für die lebende Rocklegende und 2200 Fans.
„Mach die besch ... Anlage lauter! Wir sind eine besch ... laute Band!“, brüllt Iggy Pop im Hamburger Stadtpark. Und es wird richtig laut. Seine Fans kennen kein Halten mehr, 30 stürmen sogar die Bühne, einige prügeln sich mit den Ordnern. Und irgendwo in diesem Knäuel freut sich Iggy, der Urvater des Punkrocks, über das Chaos. Das war 2008.
14 Jahre später ist Punk aber sowas von tot. Zumindest ist das am Montag der erste Eindruck beim Betreten des Stadtpark-Rondeels: Komplett-Bestuhlung. 2200 Menschen finden an diesem offiziell ausverkauften Abend Platz, wo sonst 4000 stehen würden. Offensichtlich ist die Tour als „Punk-Hock“ konfiguriert, ob als Entgegenkommen an das reife Durchschnittsalter der Fans oder an das von Jazz-Einflüssen geprägte aktuelle Album „Free“, sei dahingestellt. Sitzen wird aber auch an diesem Abend niemand.
Iggy Pop im Stadtpark: Wasser auf den Sitzschalen
Zumal auf den Sitzschalen zentimeterhoch das Wasser steht. Es schüttet wie aus Eimern und Iggy beginnt nach einem Vorfilm mit fast einstündiger Verspätung. Doch gerade als ein Paar für jeweils einen Euro Regenponchos aus Folie gekauft hat, wird der Himmel blau. Die siebenköpfige Band inklusive Bläser kommt auf die Bühne und beginnt mit einem Ambient-Intro, Sarah „Noveller“ Lipstate spielt ihre Jazzmaster-Gitarre mit einem Geigenbogen wie einst Jimmy Page.
Und dann kommt er im Anzug auf die Bühne und stellt sich mit „Five Foot One“ aus dem Jahr 1979 vor: „Ich bin 1,55 Meter groß und habe Schmerzen im Nacken“. Und mittlerweile auch in den Schultern, in den Knien, in der Hüfte. Überall dort, wo Jahrzehnte der Selbstzerstörung und der Bühnenunfälle Spuren hinterlassen haben. Iggy Pop ist 75 Jahre alt.
Iggy Pop ist der letzte Überlebende der Stooges
Aber er hat beste Laune. Die Textzeile „All the night I’m working in the amusement park“ ändert er in „beautiful park“ und zeigt in das grüne Stadtparkrund. Schon beim zweiten Lied ,„Loves Missing“, öffnet er unter Jubel das Jackett und zeigt seinen Bauch, dem man seine Leidenschaft für „M&M’s“-Schokolinsen nicht ansieht.
Mit „T.V. Eye“ geht es zurück zu seiner alten Band The Stooges, die ihn 2008 noch begleitete. Die Ur-Stooges von 1967 und viele später eingestiegene Musiker sind längst gestorben. Auch David Bowie, sein Freund und musikalischer Wegbegleiter ist gegangen.
Michael Rother von den Krautrockern Neu! ist Gast für einen Song
Iggy lebt noch, wenn auch mittlerweile bei Zimmerlautstärke im Stadtpark: „Ich bin ein alter Junge, wir werden alle sterben, also lasst uns einen Spaß draus machen“, ruft er, wirft die Jacke weg und zeigt 90 Minuten lang unter andrem mit „The Passenger“ und „I Wanna Be Your Dog“ seine „Lust For Life“.
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Die schwierigen Umstände von Wetter über Lärmschutz bis zur Bestuhlung sind kein Hindernis für The Ig. Er marschiert die komplette Bühnenbreite am Graben ab, nimmt ein Bad in der Menge, tanzt mit einem Iggy-Double („Dankeschön, Baby“) und zaubert bei den sechs Zugaben auch noch Gitarrist Michael Rother von den Düsseldorfer Krautrock-Schrittmachern Neu! hervor für das Neu!-Cover „Hero“.
Nur beim für seine Verhältnisse etwas getrageneren Stooges-Klassiker „I’m Sick Of You“ gönnt er sich ein kurzes Verweilen auf einer Monitorbox. Nach dem letzten Lied, „Search And Destroy“, ist jedenfalls klar: Iggy ist Iggy. Und Jazz ist anders. Es ist wirklich erstaunlich, was dieser Mann nach Jahrzehnten voller Verschleiß noch leistet. Da muss man sich hinsetzen, um das sacken zu lassen.