Hamburg. Nach den vier populären „Toy Story“-Animationsfilmen kommt nun „Lightyear“ ins Kino. Warum er bereits in einigen Ländern verboten ist.
Vor wenigen Jahren noch waren es Fachbegriffe, die nur den Insidern der Filmbranche etwas sagten, heutzutage dagegen muss auch der einfache Kinozuschauer unterscheiden können zwischen der Fortsetzung eines Filmhits, dem „Sequel“, einem Film, der die Vorgeschichte erzählt, dem „Prequel“, einer neuen Handlung um eine frühere Nebenfigur, dem „Spin-off“, und einer neuen Erzählung mit bereits bekannten Figuren, die nun aber von neuen Darstellern gespielt werden, dem sogenannten Reboot.
Man könnte an dieser Stelle ein weiteres Mal darüber klagen, dass sich das Mainstream-Kino kaum mehr an Originalstoffe wagt und die großen Studios nur in bekannte Stoffe und Figuren investieren. Aber man droht dabei zu übersehen, wie viel kreative Energie und wie viele originelle Ideen in diesen Prozess der permanenten Überarbeitung der alten Motive gesteckt werden. Der nun ins Kino kommende „Lightyear“, eine Mischung aus Spin-off, Prequel und Reboot der „Toy Story“-Filmserie, ist dafür das beste Beispiel.
Kino Hamburg: „Toy Story“ schrieb Geschichte
Als „Toy Story“ 1995 startete (in Deutschland erst im März 1996), schrieb der Film gleich in mehrfacher Hinsicht Geschichte. Er war die erste komplett computer-animierte Produktion und das erste Werk des sich damit mit Aplomb auf dem Markt etablierenden Pixar-Studios. Und dazu noch begeisterte er sowohl die Kritiker als auch das Publikum und wurde zu einem der größten weltweiten Box-Office-Hits jener Jahre.
Anders als bei vergleichbaren „Franchises“ (wie man mittlerweile solche Filmreihen, die auf dem selben „geistigen Eigentum“ basieren, nennt) nahm der Erfolg mit jedem Sequel noch zu. Als 2019 schließlich „Toy Story 4“ als Finale der Erzählung um Cowboy Woody und seine Spielkameraden angekündigt wurde, gab es ernsthaft trauernde Nachrufe auf eine Filmreihe, der es im Unterschied etwa zu den „Shrek“- oder „Ice Age“-Filmen gelungen war, das hohe Niveau zu halten.
Auch Erwachsene werden durch die Geschichten angesprochen
Das Besondere der „Toy Story“ lag stets nicht nur in der technischen Innovation, sondern auch in einem Gespür dafür, mit einer Geschichte, in der es um Spielzeuge, mithin um kindliches Zeugs ging, auch das erwachsene Publikum anzusprechen. In den Konflikten von Woody, dem Plastikfiguren-Cowboy, konnten sich sowohl Kinder als auch ihre Eltern wiedererkennen. Sei es in der Eifersucht, wenn auf einmal ein neuer Spielkamerad beliebter scheint, oder in den Verlustängsten, als Andy mit dem Erwachsenwerden seine Spielzeuge ausmustert.
Und wenn Woody zusammen mit Buzz, dem Space Ranger, dem Kartoffelkopf Mr. Potatoe Head, dem Drahtspiral-Hund Slinky und vielen anderen, mehr oder weniger kuriosen Gestalten Mal um Mal mit den Widrigkeiten des Alltags und um das eigene Überleben kämpft, so wurde dabei immer auch der Geist der menschlichen Solidarität und gegenseitiger Fürsorge beschworen.
Nur Buzz taucht wieder auf
Diesen doppelten Boden, in dem die Spielzeuge immer zugleich etwas anderes repräsentierten, legt „Lightyear“ nun bereits mit seiner Prämisse ab. Wir haben es, so informiert ein Schriftzug zu Beginn, nämlich wieder mit einfachen Filmfiguren zu tun. „Lightyear“ sei das Kinoerlebnis, das den kleinen Andy für den Helden Buzz Lightyear begeisterte, auf dessen Space-Ranger-Spielfigur dann Cowboy Woody einst so eifersüchtig reagierte.
Der Astronaut Buzz Lightyear ist mithin die einzige Figur aus „Toy Story“, die im neuen Animations-Abenteuer auftaucht, der als Science-Fiction gänzlich im All spielt und außer weiteren menschlichen Figuren nur mit eintönigen Robotern und Alien-Kreaturen aufwartet. Das alles macht aus „Lightyear“ einen sehr viel konventionelleren Film als noch seine Vorläufer. Was nicht bedeutet, dass das Spiel mit dem Science-Fiction-Genre, das „Lightyear“ betreibt, nicht auch großes Vergnügen bereiten kann.
Kino Hamburg: „Lightyear“ integriert vernachlässigte Figuren
In einer Zeit, in der sich Kinozuschauer nach zwei Jahren Pandemie eher wieder daran gewöhnen müssen, Filme auf der großen Leinwand zu sehen, passt die relativ simple Geschichte von „Lightyear“ vielleicht umso besser. Zumal sich zufällige Parallelen ziehen lassen zum ersten großen postpandemischen Kinoerfolg „Top Gun: Maverick“. Buzz Lightyear nämlich, so wie man ihn in den ersten Minuten von „Lightyear“ erlebt, entpuppt sich als Action-Held ganz im Stil von Tom Cruise: als einer, der auch in unübersichtlichen Momenten das Steuer seines Raumschiffs fest im Griff hat. Und als er dennoch einmal abstürzt und samt Crew auf einem bislang unbelebten Planeten strandet, bleibt er tapfer seiner Mission treu, es irgendwann doch wieder zur Heimat Erde zu schaffen.
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Neu an „Lightyear“ ist also weniger der etwas generische Plot als vielmehr das konsequente Bemühen um eine bessere Integration bisher im Animationsfilm besonders vernachlässigter Figuren. So ist Buzz Lightyears bester „Kumpel“ nun eine afro-amerikanische Frau, die im Lauf der Handlung eine andere Frau küsst – was dem Film bereits ein Verbot in Ländern wie Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten einbrachte. In diesem integrativen Ansinnen, das sich in weiteren, wie immer mit Witz und Liebe gestalteten Details wiederfinden lässt, setzt „Lightyear“ das Erbe der „Toy Story“ schließlich doch auf wunderbare Weise fort.
„Lightyear“ läuft im Savoy, in den UCI- und den Cinemaxx-Kinos