Hamburg. In „Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ sucht ein Antiheld nach dem Sinn des Lebens – oder auch nicht. Der Film läuft im Abaton Kino.

Na, freuen Sie sich schon auf den Urlaub? Mit Sonne, Strand, Meer, aber vielleicht auch mit aufdringlichen Einheimischen, die mit ihrem „Hello, my friend“ weniger Freundschaft als vielmehr schnellen Umsatz suchen? So geschieht es jedenfalls Neil Bennett (Tim Roth). Der braucht in Acapulco nur am Strand oder am Kiosk zu sitzen, schon scharen sich viele Fremde um ihn. Sprachliche Missverständnisse („Berenice“ – Ah, da kommen Sie her?“ – „Nein, so heiße ich“) eingeschlossen. Und Neil freut sich keineswegs darüber.

Er ist im ganzen Film „Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ von Michel Franco abweisend. Die Sonne brennt gnadenlos, und sie wirft ihr Licht auf eine Szenerie voller Tücken und Lücken an einem Ort, an dem Genuss und Gewalt unmittelbar nebeneinanderstehen und es hinter jedem Bild immer eine zweite, verdeckte Wahrheit gibt.

Kinofilm: Antiheld in Urlaubsidylle

Zum Beispiel dieses: Neil planscht mit Alice (Charlotte Gainsbourg) und ihren Kindern Colin und Alex fröhlich im Luxusresort. Was zunächst wie eine idyllische Familie aussieht, entpuppt sich als Zweckgemeinschaft. Neil hat seine Schwester Alice wohl eher widerwillig begleitet, was deutlich wird, als ein plötzlicher Todesfall Alice und die Kinder in die britische Heimat zurückruft und nur Neil zurückbleibt. Weil er angeblich seinen Reisepass vergessen hat.

In Wahrheit bucht er sich ein billiges Hotel, beginnt eine Affäre mit besagter Berenice (Iazua Larios), döst am Strand beim Bier und lässt dabei das SMS-Donnerwetter seiner abgereisten Familie ungerührt über sich ergehen.Und so langsam wird klar: Dieser Mann, ein schweigsamer Antiheld, wird uns den ganzen Film lang ein Mysterium bleiben, der weder Glück noch Zufriedenheit kennt, sondern eher Gleichmut. Er ist damit eine perfekte Folie für das unglaubliche Geschehen, in das uns Franco unwiderstehlich hineinzieht und den Horror hinter der Urlaubsidylle offenbart.

Ein Mann springt mit einem Schnellboot an den Strand, erschießt einen anderen und verschwindet. Neils Gepäck ist plötzlich weg. Das schicke Auto der fassungslos zurückgekehrten Alice wird Opfer eines Raubüberfalls, weshalb Neil plötzlich im Gefängnis landet, da er mit den Tätern („Hello, my friend!“) häufig gesehen wurde. Dort duscht er mit einem leibhaftigen Schwein (!), kommt frei, findet eine zerlegte Schweinehälfte in seinem Apartment, bricht zusammen, landet im Krankenhaus und am Ende wieder ganz woanders, weil er einfach nicht den Erwartungen entsprechen will, die andere – von der britischen Schwester bis zur mexikanischen Freundin – in ihm sehen.

Somit verbirgt sich hinter dem etwas reißerischen Titel „Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ die Geschichte eines Mannes auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Vielleicht. Der den Rückzug statt die Reaktion bevorzugt, Gleichgültigkeit statt Gier. Der dabei das ganze ­Spektrum seines Urlaubslandes durchschreitet, vom gediegenen Luxusresort bis zum überfüllten Gefängnis. Vielleicht aber auch nicht. Denn Franco liefert keine Antworten. Er spielt mit Andeutungen, doppelten Ebenen, offenbart Lust an der Täuschung. Was stimmt und was nicht, das bleibt hier unklar.

„Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ 82 Minuten, ab 12 J., läuft im 3001, Abaton