Hamburg. Großer Erfolg nach zwei Jahren Corona-Zwangspause. 24.000 Besucher feiern ausgelassen unter wolkenlosem Himmel.
Mehr als 40 Fotos und diverse Filme: Dass ihr Auftritt beim Elbjazz mehr ist, als nur irgendein Konzert, daran lässt Judi Jackson auf ihrer Instagram-Seite keinen Zweifel. Die Möwen am Rathaus, Autogrammjäger vor dem Hotel, Eindrücke vom Festivalgelände: Die US-Sängerin ist von Hamburg sichtlich begeistert – und das Publikum von ihr. Wer sie am Sonnabend auf der Bühne bei Blohm+Voss erlebt, kann aber auch gar nicht anders. Diese alle Gefühlswelten durchlebende Stimme, diese unbändige Energie, diese sichtbare Freude, hier auf dieser Bühne zu stehen: Das alles passt einfach perfekt zu einem Festival, das rundum glücklich macht.
Elbjazz: Ein Festival, das rundum glücklich macht
Zweimal musste das Elbjazz ausfallen, zweimal blieben die Karten am Kühlschrank, war Pandemiefrust statt Festivallust angesagt – aber jetzt, an diesen zwei sonnendurchfluteten Tagen geht es endlich weiter. Und das Publikum strömt. 11.000 sind es am ersten, sogar 13.000 am zweiten Tag. Veranstalter Karsten Jahnke berichtet, dass allein von Freitag auf Sonnabend noch einmal 1000 Tageskarten verkauft wurden; die Sehnsucht nach einem Gemeinschaftserlebnis nach der langen Zeit der trüben Vereinzelung ist riesengroß. Und tatsächlich ist beim Elbjazz alles „wie früher“. Keine Abstände, keine Masken, dafür Partystimmung bis in die Nacht hinein.
Das liegt natürlich auch am exzellent kuratierten Programm, bei dem der Wohlfühl-Faktor eine wesentliche Rolle spielt. Warme Grooves, die den Bogen vom Soul und Funk zum Jazz schlagen, dominieren viele Konzerte, der entspannte Fusionsound der Siebziger ist immer wieder ein Bezugspunkt. Und warum auch nicht? Das Elbjazz ist kein Spezialistenfestival, sondern für ein möglichst großes Publikum gemacht – und das feiert den entspannten Modern Jazz von Saxofonistin Stephanie Lottermoser (sehr passend im bunten Sommerkleid) am Freitag ebenso wie die überragende Souljazz-Show von Sänger Myles Sanko oder die treibenden Grooves von Jazznova.
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Besonders voll wird es vor der Hauptbühne bei Melody Gardot, einem der Stars des Festivals, aber auch das Trio von Pianist Simon Oslender spielt in der Schiffbauhalle vor dicht gefüllten Reihen – und die meisten Elbphilharmonie-Konzerte, unter anderem mit den Sängerinnen Youn Sun Nah und Lady Blackbird, sind ohnehin restlos ausgebucht.
Elbjazz: Zum hohen Wohlfühlfaktor trägt vieles bei
Zum hohen Wohlfühlfaktor trägt vieles bei: die locker-freundliche Security (mitgebrachte Campinghocker und Picknickpakete werden lächelnd durchgewunken), das enorm vielfältige Essensangebot (von klassischen Burgern bis zu Austern aus Frankreich ist alles dabei), die zahlreichen, heiß begehrten Sitzgelegenheiten überall auf dem Areal. Sich von einer Bühne zur anderen treiben lassen, ist kein Problem – es ist voll, aber eben nicht zu voll, und selbst die Wartezeiten am Eingang zur Schiffbauhalle, bei der es immer mal wieder einen Einlassstopp gibt, sind kurz.
Und dann ist da noch der Überraschungsfaktor: Wohl kaum jemand dürfte vor dem Elbjazz das Golden Dawn Arkestra aus Austin/Texas auf dem Schirm gehabt haben, das am Sonnabendnachmittag den zweiten Festivaltag auf der Hauptbühne eröffnet. Doch ihr Psychedelic-Funkjazz-Soulrock, den die Band in schillernd-schrillen Fantasiekostümen abliefert, sorgt für ekstatische Tanzstimmung unter wolkenlosem Himmel. Da erinnert so manches an die legendären George-Clinton-Bands Parliament und Funkadelic, aber natürlich auch an die Jazzlegende Sun Ra, dessen Arkestra hier Namenspate war.
Elbjazz: Großer Erfolg nach zwei Jahren Corona-Zwangspause
Danach schnell rüber zu Keyboarder Matthew Whitaker, dessen groovender Funkjazz genau die Stimmung trifft – ganz besonders mit seinem letzten Stück, einer Coverversion des Earth, Wind & Fire-Hits „September“. Da hat so mancher ein glückseliges Lächeln auf dem Gesicht. Und es geht munter weiter: Schlagzeuger Silvan Strauss bekommt den Hamburger Jazzpreis verliehen und spielt anschließend mit der NDR Bigband und Gästen wie Pianist Omer Klein und Sängerin Maria João ein fabelhaftes Preisträgerkonzert. Saxofonist Donny McCaslin, international bekannt geworden durch seine Zusammenarbeit mit David Bowie auf dessen Album „Blackstar“, füllt die Schiffbauhalle bis zum letzten Platz und sorgt für ein Luxusproblem: Die Höhepunkte sind so reichlich, dass nicht alles geht.
Also nach 20 Minuten schnell rüber zur Hauptbühne, schließlich steht der Auftritt von Gitarrist John McLaughlin an – und den wollen offenbar selbst die Möwen nicht verpassen. Während der 80-Jährige, mit seinen Fusionjazz-Läufen verzaubert, scheinen sie langsamer als gewöhnlich am Himmel zu gleiten. Was für ein Bild. Die Gitarre sei die Liebe seines Lebens, hatte McLaughlin im Abendblatt-Interview gesagt; jeder Ton, der an diesem Abend aus den Boxen kommt, beweist dies. Ein überragender Auftritt, auch dank seiner mit Spitzenkönnern besetzten Band The 4th Dimension.
Mit der Funk Unit von Nils Landgren kann man natürlich nichts falsch machen, für den Festivalabschluss ist diese Gute-Laune-Truppe einfach perfekt. Doch die Gedanken sind in diesem Moment noch bei Judi Jackson, der großen Elbjazz-Entdeckung, die hoffentlich bald wieder kommt. Sie selbst hätte wohl nichts dagegen: Auch am Morgen danach reißt der Strom ihrer Hamburg-Fotos und -Videos auf Instagram einfach nicht ab.