Hamburg. Ein Konzert wie eine Jukebox: Mit der Magie der Popmusik machte das Duo die 8000 Besucher in der Barclays Arena jünger.

Man begriff während dieser genuinen, bombastischen Feier des Pop erst beinah ganz am Ende, wir waren schon bei den Zugaben, wie lange es dieses Duo schon gibt. Ja, leider auch, wie alt man selbst schon geworden ist. Das ist keine Seltenheit, wenn es um Popweltstars geht. Sie sind über Dekaden da, nicht immer in der ersten Entertainmentreihe, aber immer und ewig auf der Glamourseite. Wo der Glanz nie ganz verschwindet und der Ruhm erst recht nicht. Die ganz Großen begleiten uns über Jahrzehnte.

Als die Pet Shop Boys auf ihrer aktuellen Tour, die den Titel „Dreamworld – The Greatest Hits“ trägt, in Hamburg Station machten, ließen sie ihre Karriere wie versprochen auf eine von Höhepunkt zu Höhepunkt eilenden Bestenschau zusammenschnurren. Chris Lowe und Neil Tennant als Zeremonienmeister des Elektropop also, des Hedonismus und des modisch auffälligen Erscheinungsbilds; sie präsentierten ein Medley großbritischen Musikschaffens und das Konzert wie eine Jukebox. Liebling, sie spielen unser Lied, und das ist tatsächlich aus den 80ern. Ganz alt.

Pet Shop Boys in Hamburg: Barclays Arena wird zur Disco

Aber wie aufpoliert und frisch arrangiert Songs wie „Rent“, „Heart“ und „Left to My Own Devices“ andererseits klangen. Und dann war die Barclays Arena mit den 8000 Besuchern in manchen Momenten – die Techno-Vibes bei „Vocal“! – eh eine Disco. Es waren nicht nur die Animationen auf den Leinwänden und die wenig zurückhaltend eingesetzten Lichteffekte, die den Pet Shop Boys die Anmutung einer absolut kraftstrotzenden Synthie-Band gaben. Wer mochte da schon ernsthaft glauben, dass Tennant, der live gegen den gnadenlosen Bums dieser Musik, die mal den Sound des Mainstream definierte, mitunter kaum ankam, mittlerweile tatsächlich schon 67 Jahre alt ist?

Und deswegen war es dann das zweitletzte Stück des Abends, der Übersong „West End Girls“, jene Fanfare auf das verbrauchte Großstadtleben, das alle Zweifel ausräumte. Auf den Bildschirmen hinter den Musikern flackerten Ausschnitte des Videoclips von 1984, und das damalige Blutjungsein entlarvte so schlagend die akustische Täuschung. Tennant ist längst kahl geworden, er versteckte es nicht.

Konzert in Hamburg: Synthie-Dramolett über das Grauen der Vorstadt

Tasten-Mann Low dagegen trug wie eh und je Basecap. Oder aber, wie am Anfang des formidablen Konzerts, ein bekloppt-exzentrisches Gadget ums Haupt geschnallt. Sah aus wie ein Geweih, designed by Apple. Low und Tennant standen bei den ersten Stücken wie festgetackert unter retro-futuristischen Straßenlaternen. Stoisch wie die Männer von Kraftwerk, aber britischer im Mut zur schicken Lächerlichkeit. Der Umhang, den Tennant trug, war irgendwas zwischen Chefvisiten-Kittel und mondänem Morgenmantel.

Dass das Konzert mit „Suburbia“ losging, dem Synthie-Dramolett über das Grauen der Vorstadt, war eine gute Erinnerung daran, dass die wichtigsten und besten Songs der Pet Shop Boys aus dem ersten Jahrzehnt ihrer Karriere stammen. Die Menschen im Publikum, vielfach in Ehren ergraut und bisweilen in Bequemlichkeit gewichtsmäßig aufgestockt, ließen sich aber auch von den Stücken aus anderen Phasen des Pet-Shop-Boys-Werks sehr leicht zu erstaunlichem Tanzdrang überreden. Eine Typologie der Pet-Shop-Boys-Fans muss ein unabschließbares Unterfangen bleiben. Lowe und Tennant haben immer alle gemeint, und es kommen dann auch alle. Eine Besucherin, noch nicht ganz die Altersklasse von Tennant, rückte mit Opernglas an. Man könnte es sich nicht besser ausdenken.

Popintellektuelle mit der nötigen Portion Ironie

Den Großteil des Sets vergrößerte sich übrigens das Duo durch die Hinzunahme von Mitspielern, die vor allem das Rhythmusgerüst nach Kräften verstärkten, zu einem Quintett. Dabei war es die Sängerin Clare Uchima, die in „What Have I Done to Deserve This“ den ursprünglichen Part Dusty Springfields übernahm. Der Live-Charakter von Songs wie „Domino Dancing“, „New York City Boys” und dem immer noch köstlich enervierenden „Go West“ (wir erinnern uns, eigentlich eine Schwulenhymne, in den frühen 90ern dann auch der famos glitzernde Soundtrack zum Fall des Eisernen Vorhangs) ist ein anderer wie der der zurückhaltenderen Studioversionen.

Aber man durfte auch beim fröhlichen Gestampfe in der Barclays Arena einmal mehr zu dem Schluss kommen, wie raffiniert (das englische „sophisticated“ trifft es besser) die so einfach daherkommenden Hymnen der Pet Shop Boys immer schon waren. Tennant und Lowe, die beiden kultivierten englischen Gentlemen, sind Popintellektuelle, die dem Schwulst und dem Pathos ihrer Kompositionen, diesen verkitschten Elektro-Sinfonien der großen Gefühle, stets nur die gerade noch nötige Portion Ironie beimischten.

Pet Shop Boys in Hamburg mit vielen Best-of-Songs

Mehr als 100 Millionen Tonträger haben sie einst verkauft in der Zeit, als die Leute noch Musikalben und -singles kauften. Natürlich sind die, die zu einem Pet-Shop-Boys-Konzert gehen, immer für die Hits da. Und so wenig überraschend es dann bei einer Tournee ist, die das „Best of“ schon im Titel trägt, Gassenhauer wie „Always On My Mind“ und „It’s A Sin“ zu hören, so unerwartet ist es, Tennant mit Akustikgitarre zu sehen – bei „You Only Tell Me That You Love Me When You are Drunk”.

26 Songs waren es am Ende, und es würden einem noch mehr unvergessliche Lieder dieser Götter des Pop einfallen, die stets nie etwas anderes brauchten als die Eingängigkeit einer von elektronischen Klängen begleiteten Gesangslinie. Als letztes spielten sie die Hymne auf die Jugend, das wunderbar zeitlose „Being Boring“. Man kann sagen, dass Neil Tennant und Chris Lowe uns an diesem Abend alle jünger machten. Sie taten das, indem sie sich der Magie der Popmusik bedienten.