Hamburg. Styles feierte mit One Direction gigantische Erfolge. Seine neues Album ist purer Pop mit Funken aus Funk, R ’n’ B, Rock und Folk.
Über den Spaßfaktor in der Popmusik wird zu selten geredet. Er wird halt einfach oft vorausgesetzt, angenommen, unter „eh klar“ verbucht. In dieser Kolumne soll es jetzt um ein Album gehen, das von vorne bis hinten Spaß macht. Auf allen Ebenen. Es macht zum Beispiel Spaß, weil jeder Song ein Hit ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit, gell? Was nämlich nur manche wissen, unter ihnen aber alle alten weißen Männer, die noch ganze Alben hören und sogar auf CD: So doll ist der Mainstreampop schon lange nicht mehr.
Wobei natürlich alles besser ist als, sagen wir, Capital Bra. Apropos, wenn man jung ist, versteht man das Prinzip der Rückwärtsgewandtheit nicht, die totale Retromania noch viel weniger: Alles ist jetzt, alles ist heute, Pop die Feier des Augenblicks. Für den Frieden der Generationen ist das großartige, ganz doll Spaß machende neue Album des britischen Musikers Harry Styles extrem wichtig.
Albumkritik: „Harry’s House“ ist purer Pop
Es schafft das wunderbare Kunststück, extrem frisch und so jung wie ein Glas Malzbier zu klingen. Und gleichzeitig so immens wiedererfahrbar in puncto Gute-Laune-Unbeschwertheit für das ältere Semester. Styles, 28 Jahre alt, war mal ein Casting-Produkt und feierte mit der Boyband One Direction gigantische Erfolge. Wahrscheinlich werden sich also am 26. Juni im Volksparkstadion eben noch teenagernde Mädchen einfinden.
Aber eben auch andere Altersgruppen, denen nicht entgangen ist, was für ein Talent Styles hat. „Harry’s House“ (Sony, CD ca. 15 Euro) ist purer Pop mit Spuren aus Funk, R ’n’ B, Rock und Folk; ein smart produzierter, perfekt performter Springbrunnen, dessen Fontänen unsere Sommerhaut sanft benetzen, nicht nur in dieser Saison.
Und im Winter wird dieses luftige, helle Album eine Erinnerung an lange Juni-Tage sein. Und der wärmende Mantel, den Harry Styles im durchästhetisierten Videoclip des fantastischen Songs „As It Was“ in knalligem Rot trägt. Die fröhliche A-ha-Haftigkeit des Songs wird konterkariert von diffusen Vibes der Verlorenheit. Der Soundtrack zur verbummelten Sommernacht.
Grillmaster Flash in Bremen-Nord bekannt
Grillmaster Flash und Harry Styles haben, was ihren Sound angeht, nichts gemein. Eine Sache verbindet sie aber: Grillmaster Flash, dessen neues Album „Komplett Ready“ (Grand Hotel van Cleef, CD ca. 15 Euro) heißt, und Styles sind beide absolute Weltstars, Styles so richtig international und Grillmaster Flash immerhin in Bremen-Nord. Von dort stammt der Musiker, der bürgerlich Christian Wesemann heißt und einst in Punkbands mit Namen wie „Hobby und Teneriffa“ und „The Bitch Crackers“ spielte. Als Grillmaster Flash gibt der überzeugte Jeansjackenträger und Haake-Beck-Trinker den Indierock-Songwriter, der mit unerhörter Selbstironie seine Geschichten erzählt.
Auf „Komplett Ready“ ist der Schrabbel-Superhit „Wo ich jetzt bin“, der mit der unanfechtbaren Line „2000 YouTube-Klicks ist wenig/Aber auch nicht nichts“ einsetzt. Sagen wir es, wie es ist: Der Mann hat mit humoristisch angetönten Songs wie „Vivian hat sich ihren Dialekt abtrainiert“ natürlich viel, viel mehr Klicks verdient. Seine Texte sind meistens intelligent und nie anbiedernd.
Albumkritik: Grillmaster Flash schreibt Gentrifizierungssong
Einen Gentrifizierungssong wie „Da geht die Nachbarschaft“ schreibt nicht jeder, auch nicht Harry Styles. Als Bremer beim Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, der im Übrigen auf der Bühne genauso gern Döntjes erzählt wie Thees Uhlmann, zeigt Grillmaster Flash der derzeit irgendwie brachliegenden hiesigen Songwriterlandschaft, wie das geht mit den aus den Ärmel geschüttelten Liedern, auf die konkret niemand gewartet hat, die dann aber zu jedermanns verlässlichen Begleitern werden können.
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Auf Spotify ist Grillmaster Flashs zweitmeist gestreamter Song übrigens „Als die Mädchen durch den Tisch traten“: Ein Fußball-Lied mit 20 grölenden, grünweißen Frauen, die durch den Tisch treten, und Gitarrensolo. Stark.