Hamburg. „Fanta 4“ feiern beim Tourauftakt 30. Geburtstag mit 10.000 Fans und energiegeladener Show nach. Man reibt sich die Augen.

Als Die Fantastischen Vier 1992 mit der Single „Die da!?!“ den deutschen Rap nach Jahren im Untergrund im Mainstream verankerten, hätten wahrscheinlich wenige geglaubt, dass Hip-Hop 30 Jahre später immer noch das kommerziell dominante Genre hierzulande ist. Auch dass Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon immer noch auf einer Bühne stehen, springen und laufen, ist schon ein kleines Wunder der Beständigkeit.

Man reibt sich die Augen, als die „Fanta 4“ am Sonnabend das erste von zwei Jubiläumskonzerten in der Barclays Arena nachholen. LED-Leinwände, Handy-Lichter, ein Meer aus Armen. Dass es das noch gibt. Die Tour zum 30. Geburtstag des Quartetts sollte 2020 beginnen, aber mit freundlichen Grüßen an Corona war zwei Jahre Warten angesagt – das sich beim Tourauftakt in Hamburg in Erleichterung, Jubel und Kopfnicken zu „MfG“, „Aller Anfang ist Yeah“ und „Yeah Yeah Yeah“ entlädt.

Offiziell 10.000 Fans sind gekommen, die meisten sind augenscheinlich in den 90ern aufgewachsen, aber auch einige der jüngsten Hip-Hop-Fangeneration wollen sich die alten Meister anschauen – oder begleiten ihre Eltern beim Bad im Jungbrunnen voller Weinschorle.

Die Fantastischen Vier in Hamburg bestens aufgelegt

Die Herren auf der Bühne sind „fantastisch, nicht mehr ganz frisch“, bestens aufgelegt, energiegeladen wie aufgezogen und nicht zu bremsen. Vor allem Thomas D platzt förmlich vor Spielfreude, grinst breit bis an die Brillenränder und ist sicher: „Egal, was morgen ist: heute Abend ist unser Abend“. Am Sonntag wird er noch einmal in Hamburg auftreten, hoffentlich mit der gleichen Euphorie wie am Sonnabend.

„Was geht“, „Danke“, „Zu geil für diese Welt“, „Jetzt geht’s ab“ und „Dicker Pulli“ schlingern wild durch 30 Jahre und zehn Alben. Am Ende dieses Abends werden 28 Lieder in zwei Stunden (Nummer 25 ist natürlich „25“) präsentiert, aber so weit sind wir noch nicht.

Die Fantastischen Vier treten wieder auf und das Publikum in der Barclays Arena kocht.
Die Fantastischen Vier treten wieder auf und das Publikum in der Barclays Arena kocht. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Die Fantas gaben dem Hip-Hop bekanntlich von Anfang an eine gehörige Pop-Komponente mit und keinen Straßendreck, was für Hardcore-Rap-Fans ein Ausschlusskriterium war, für Millionen CD-Käuferinnen und Käufer aber völlig gleichgültig – „Gebt uns ruhig die Schuld (den Rest könnt ihr behalten)“. Sie waren auch mit die ersten in Deutschland, die sich nicht nur von Beats und Samples (von Michi Beck und And.Ypsilon) begleiten ließen, sondern von einer kompletten Liveband.

Die Fantastischen Vier: Nicht überall gut zu hören

In der Barclays Arena machen acht Tourmusiker mit Bläsern, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards und Percussion das Dutzend voll. Leider ist das nicht überall in der Arena gut zu hören, an den Seiten jedenfalls kommt teilweise nur Matschgedröhne an – und Echos, die man sogar in der berüchtigten Sporthalle nur noch selten hört. Dort spielten die Fantas übrigens 1993 und 1999, das nur für Historiker. Trotz des streckenweise undefinierten Sounds dringen die Reime und das Geschnatter von Smudo, Thomas D und Michi Beck gut durch bei „Picknicker“ und „Hitisn“. Darauf kommt es bei Hip-Hop ja an.

Ein bisschen älter sind sie geworden, zumindest im direkten Vergleich zum ersten Konzert in Hamburg in der Brambeker Zinnschmelze oder mit den eingespielten Bildern aus den 90ern. Für „Tag am Meer“ werden Hocker auf die Bühne gebracht, und Smudo holt sich mit Helium aus der Buddel die zweite Luft für „Pipis und Popos“, das in „Killing In The Name“ von Rage Against The Machine ausufert. „Sie ist weg“, „Immer locker bleiben“ „Krieger“, „Spiesser“, kein Hit wird ausgelassen. Die meisten Songs gehören seit Jahren zum festen Programm, Raritäten wie „Zu geil für diese Welt“ sind selten. Jedoch bleiben Band und Publikum schön in Wallung.

Kein Blatt Papier passt zwischen die vier

„Seid ihr ready to Schweinerock?“, fragen die Fantas und fecheln ihrem Schlagzeuger mit Handtüchern Luft zu für „Die da!?!“. Nicht immer war die Freundschaft zwischen den vieren so dick wie die Pullis, die sie in ihren Anfangstagen getragen haben. Solo- und Nebenprojekte, Eitelkeiten, Animositäten und Krisen sind immer Teil der Rechnung gewesen, was in Interviews und Dokumentationen wie „Wer 4 sind“ (2019) auch nie verschwiegen wurde.

Und doch raufen sie sich immer wieder zusammen, kein Blatt Papier passt zwischen die vier in der Barclays Arena – und die 10.000 vor der Bühne, auch wenn 2000 übrig gebliebene Tickets für sichtbare Lücken sorgen. Die Stimmung bleibt über die komplette Konzertlänge fantastisch – es wird mit der Hymne „Troy“ und Goldregen aus der Konfetti-Kanone belohnt.

Michi Beck beim Konzert der Fantastischen Vier in der Barclays Arena.
Michi Beck beim Konzert der Fantastischen Vier in der Barclays Arena. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

„Vier! Vier! Vier!“-Rufe holen die Fantas und ihre Band für die Zugaben „Populär“ und „Zusammen“ wieder auf die Bühne, denn: „Das ist meine Mucke Alter, die geht ab sag ich dir. Komm mit zum Vorverkaufsschalter Mann, und schnapp sie dir: Die Karten, die auf dich warten“, rappt Smudo. Es lohnt sich tatsächlich weiterhin, Tickets zu kaufen, wenn man Hip-Hop als gut gemachtes Pop-Entertainment versteht. Dabei macht den Fantastischen Vier kaum jemand etwas vor, „denn sie sind gut und deshalb populär.“ Das Publikum macht sich heiter wie heiser auf den Heimweg. Nicht wenige haben sich T-Shirts am Fanartikelstand gekauft. Nur einer ganz offensichtlich nicht: Auf seinem Trikot steht als Rückennummer: „3“. Was stimmt nicht mit dir?