Hamburg. Klaus Mäkelä und das Oslo Philharmonic spielten drei Sibelius-Sinfonien, nicht angestaubt, sondern vital und eigenwillig.

Brahms ständig. Beethoven hin und wieder, Bruckner und Schubert selten, Mahler und Schostakowitsch, der Ausmaße wegen, höchstens weit gestreckt. Aber Sibelius, alle sieben Sinfonien des großartigen, immer noch Unterschätzten in einem mehrtägigen Paket? So noch nie gehört in dieser Stadt. Selbst in den prall gefüllten elbphilharmonischen Jahren fehlte diese Repertoire-Klangfarbe. Bis jetzt, dank eines erst 26-jährigen Finnen und dem Oslo Philharmonic. Und es ging am ersten der drei Abende toll los, obwohl die Publikumslieblinge Nr. 4 und 5 erst noch kommen.

Klaus Mäkelä dirigiert diese Musik, die einen mitunter fast waldschratig und sensibel schroff verschrobenen Tonfall hat, sehr impulsiv und dennoch auch mit cooler Distanz. Wohl auch, um als Finne nicht allzu schnell der Faszination dieser Nationalheiligtümer zu verfallen und bei Sibelius’ Panorama-Entfaltung der vielen kleinen Ideensplitter und der rätselhaft undefinierbaren Motiv-Andeutungen seinen klärenden Kopf zu behalten.

Das Orchester zählt zu den „hidden champions“ der Branche

Für das umjubelte Auftakt-Konzert hatte Mäkelä die forsch auf Stil-Neuland losstürmende Erste mit der dunkel spröden Sechsten und der gemütsverwandten Siebten kombiniert, ein starkes Kontrast-Programm, um die Binnenspannung des Zyklus aufzufächern. Keine Chronologie wie bei Frontalunterricht, stattdessen Drama, Lichter und Schattenspiele. Und immer dieser unüberhörbare Druck nach vorne. Mäkelä will, unbedingt, ständig. In der Sechsten strebte er klug dem pathetisch vernebelten Ende zu, in der Siebten beeindruckten die fein aufgefächerten Klangfarben aus erhabenem Blech und schillernden Streichern, die sich wie Abendrot ausbreiteten.

Nicht nur Dirigent und Orchester, auch der Saal machte die Musik: Bei den Heimspielen im Osloer Konserthus muss sich das Orchester mit dessen unrettbar schlimmer Akustik arrangieren, in der Elbphilharmonie wurde blitzartig hörbar, wie befreit, gut und fein aufeinander abgestimmt man sein kann. Dass dieses Orchester zu den „hidden champions“ der Branche zählt, die trotz ihrer nicht direkt zentral gelegenen Heimat für Überraschungen gut sind. Mäkeläs Sibelius ist kein angestaubter Altmeister aus dem frühen 20. Jahrhundert, den man für die Ehrenrettung mühsam entrümpeln muss. Der ist vital und lohnend eigenwillig.

Zyklus-Finale: Weitere Konzerte: 31.5. 20 Uhr: Sinfonien Nr. 4 & 2, 1. 6., 20 Uhr: Sinfonien Nr. 3 & 5. Elbphilharmonie, Gr. Saal. Restkarten. Aufnahme: „Sibelius“ (Decca, 4 CDs ca. 30 Euro)