Hamburg. Der Hamburger Schriftsteller unterhält mit grotesken Geschichten im Nachtasyl. Auch die größten Hits der Sängerin werden performt.
Gut, Sven Amtsberg ist in der Hamburger Literaturwelt eine Art Indiepopstar, der ein wirklich großes Publikum anzuziehen weiß. Und das Nachtasyl unterm Dach des Thalia Theaters ist eben doch nicht wirklich eine Bühne, sondern eine Bar mit Bühnenbetrieb und entsprechend beengt. Vielleicht ist es während einer Pandemie nicht die optimale Idee, Amtsberg mit seinem Programm „Ich und meine Britney Spears“ im Nachtasyl auftreten zu lassen, in der eng mit vergnügungsbereitem Publikum gefüllten Bar, das bis auf wenige Ausnahmen keine Maske trägt. Vielleicht.
Wobei dieses Unbehagen nichts aussagt über Amtsbergs Auftritt. An dem nämlich passt alles, bis hin zur pandemiebedingten mehrfachen Verschiebung auf Donnerstagabend. „Vaddertach mit Britney Spears, was gibt es Schöneres?“ nuschelt der Autor ins Mikro und stellt damit gleich mehrere Dinge klar: Er ist in der Lage, Logistik als künstlerisches Konzept zu verkaufen. Thema des Abends ist die US-Sängerin Britney Spears. Und Subtilität darf man nicht erwarten. Okay.
„Ich und meine Britney Spears“: Amtsberg im Nachtasyl
Britney Spears also. In den vergangenen 25 Jahren war die Musikerin zunächst Teenie-Popstar, dann kunstvolle offenes Klappmesser, Opfer einer gnadenlosen Marketingmaschine und schließlich Symbol weiblicher Selbstermächtigung. Amtsberg interessiert all das: kein Stück. Stattdessen spinnt er kunstvolle Schnurren, deren mangelnder Wahrheitsgehalt von der grotesken Übertreibung wettgemacht wird – wie seine Familie einst in der Spears-Nachbarschaft gelebt hätte, und, wer weiß, vielleicht ist damals im Partykeller ja ein Besäufnis entgleist, und in Wahrheit ist er ein Halbbruder des Stars?
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Der Vater der Sängerin, innerhalb der Spears-Mythologie ein geldgieriger Bösewicht, ist bei Amtsberg einfach nur eine arme Wurst, die sich nach Zuneigung sehnt. Und Spears selbst ist eine schlecht designte Zeichentrickfigur aus dem Disney-Universum: „Ein Tier mit blonden Haaren und dicken Brüsten.“
Mag Sven Amtsberg Britney Spears eigentlich? Schwer zu sagen. Wahrscheinlich mag er die Geschichten, die sich wie von selbst um so jemanden an der Grenze zwischen Kunstfigur und echtem Menschen entspinnen. Wer Spears allerdings wirklich mag: Richard von der Schulenburg, der zwischen den immer absurder werdenden Stories an Piano und Umhängekeyboard eingedeutschte Hits der Sängerin performt. „Schlag mich bitte noch einmal“, „Giftig“, „Ups, ich habe es wieder getan“, zum Schreien doofe Texte, aber mit Herzblut gespielt. Und „Toxic“ ist wirklich ein toller Song.