Oslo. Ein Gespräch mit dem finnischen Dirigenten über sein Alter, seine beeindruckende Karriere und die Sinfonien von Sibelius.

Auf einmal war sein Name überall zu hören, staunend und fast ungläubig wurde von diesem blutjungen finnischen Dirigenten erzählt, der mit Mitte 20 schon zwei wichtige Chefposten in Paris und Oslo bekommen hat. Klaus Mäkelä, 26 Jahre jung, war Cellist, bis er auf Senkrechtstarter mit Taktstock umschulte. Wie gut er jetzt schon ist, bewies er vor einigen Monaten bei einem Gastspiel mit dem Concertgebouw-Orchester in der Elbphilharmonie.

Hamburger Abendblatt: Wieso haben Sie offenbar keine Angst vor dem Dirigieren? Ich hätte Angst. So viel, was man in kürzester Zeit falsch machen kann…

Klaus Mäkelä: Jeder hat seinen eigenen Weg zum Dirigieren, und ich hatte das große Glück, Jorma Pamula als Lehrer und Mentor gehabt zu haben. Er wollte, dass wir so früh wie möglich mit dem Dirigieren beginnen sollten, weil es dann ganz natürlich werden würde. Ich fing mit zwölf an, jede Woche hatten wir ein kleines Orchester aus Freunden, Studenten und Profis. So wurde es nicht unbedingt entspannt, aber sehr gemütlich. Genauso fühlt es sich auch heute an, ob ich nun vor ein Orchester trete oder hier sitze. In der Musik geht es immer um Risiken, darum, alles Mögliche zu proben, um sich dann, im Moment des Konzerts, von allem zu befreien. Das genieße ich sehr.

Wie Schwimmen lernen also – ganz einfach mit zwei, aber der Horror mit 85 Jahren.

Mäkelä: Dirigieren ist sehr abstrakt. Wenn wir mal ganz ehrlich sind: Die technischen Aspekte sind nicht besonders schwer zu erlernen. Jeder kann das lernen, und das auch noch in sehr kurzer Zeit. Ein sehr wichtiger Teil ist allerdings die Psychologie: Alles, was man sagt, kann man auf 100 verschiedene Arten sagen. Und der Job ist es, 100 Künstler wie einen klingen zu lassen, alles kommt aus ihrem Inneren, nicht von mir, sondern von ihnen. Die Dirigier-Technik kann noch so gut sein – wenn man kein guter Musiker ist, ist man auch kein guter Dirigent. Das zu lernen, dauert ein ganzes Leben. Eines meiner großen Vorbilder ist Herbert Blomstedt, sein Bild hängt hier an der Wand. Er war in den 60er-Jahren hier, kommt jedes Jahr wieder, und Jahr für Jahr wird er immer noch besser.

Christoph von Dohnanyi, ungefähr im gleichen Alter wie Blomstedt, findet: Dirigieren ist nicht schwer, Musik machen ist schwer.

Mäkelä: Stimmt genau. Und für jede Interpretationsentscheidung sollte man gute Argumente haben, ganz besonders bei komplizierter Orchestermusik. Die soll zwar wie aus dem Moment geboren klingen, muss vorher aber gut durchsortiert worden sein, um spontan frei zu sein und frei zu klingen.

Sie haben hier beim Oslo Philharmonic für drei Jahre unterschrieben, aber schon bevor Sie begannen, wurde der Vertrag auf sieben Jahre verlängert. Beim Orchestre de Paris waren zwei Jahre vereinbart – die wurden ebenfalls schon vor Amtsantritt auf fünf verlängert. Sie sind Erster Gastdirigent beim Schwedischen Radio-Symphonie-Orchester, Künstlerischer Direktor des Turku Music Festival, arbeiten mit der Tapiola Sinfonietta – und Sie sind 26.

Mäkelä: Ich gestehe.

Ist das alles nicht zu viel und zu früh?

Mäkelä: Das sollen andere entscheiden. Ich denke nie über Karriere nach, was sollte das meinem Leben geben, viel lieber denke ich über Musik nach. Ich verpflichte mich gern, weil ich glaube, dass die Ergebnisse besser werden, wenn man kontinuierlich zusammenarbeitet.

Wie liefen die damals ab, diese Vertragsverlängerungen schon vor dem ersten Arbeitstag?

Mäkelä: Das waren wunderbare Zeichen von Vertrauen. In Oslo hatte es ein Konzert gegeben, aber nur für geladene Gäste, halb improvisiert. Wir gingen also beidseitig ein ziemliches Risiko ein.

Bernsteins Start mit dem New York Phil: 1943, mit 25. Salonens Durchbruch mit dem London Philharmonic, 1983 mit 25. Sie sind jetzt 26. Werden Sie ehrgeizig, wenn Sie darüber nachdenken? Sie sind nicht ganz der Erste, der so früh durchstartete. Wie fühlt sich dieser Druck jetzt an?

Mäkelä: Zwei wundervolle Musiker, ich würde nie wagen, mich mit ihnen zu vergleichen. Jeder entwickelt sich anders.

Ist Ihre Cellisten-Karriere nun endgültig beendet? So haben Sie ja mal angefangen.

Mäkelä: In meinem Herzen bin ich Cellist, aber ich trete immer weniger auf, spiele aber viel nur für mich und meinen Spaß daran, mehr oder weniger täglich, vor einem Konzert etwas mehr. Auf gewisse Weise hält mich Kammermusik am Leben, vier, fünf Projekte pro Jahr mache ich noch. Letzte Woche spielten wir Brahms‘ Klarinettenquintett in Paris, das war ein Höhepunkt meines Jahres.

Sie stammen aus einer Musikerfamilie. Gab es da Gruppen-Druck, weil Sie vielleicht mal gesagt haben, dass Sie viel lieber Zahnarzt werden würden?

Mäkelä: Ich hatte sehr viel Glück, weil meine Familie unglaublich unterstützend war, sie haben mich nie zu etwas getrieben.

Über Ihre Anfänge habe ich wenig gefunden. Sie scheinen eine Art Wunderkind gewesen zu sein, sehr guter Cellist, dann kam das Dirigieren an der Akademie in Helsinki dazu. Und auf einmal hatten Sie all diese glitzernden Chefposten. Da muss es doch noch etwas dazwischen und davor gegeben haben.

Mäkelä: Panula hatte eine sehr gute Lehrmethode, jede Woche übten wir etwas ein, echte Musiker reagierten auf unsere Bewegungen und am Ende der Stunde sahen wir uns alles noch einmal an. Finnland hat ein gutes Orchester-Netzwerk, obwohl wir ein sehr kleines Land sind, mit fünfeinhalb Millionen Menschen und dreieinhalb Millionen Saunas. Man wird also mal hier, mal da eingeladen, erst Studentenkonzerte, danach richtige. All das habe ich gemacht – wichtig war aber auch, dass ich oft in Helsinki als Aushilfe spielte, im Orchester, im Opernorchester und beim Radio – und ich so dabei auch so viel über das Dirigenten lernen konnte.

Aber es gab keinen Aha-Abend: Sie kurzfristig eingesprungen, ein Agent war dabei, Sie wurden vom Fleck weg engagiert, so etwas?

Mäkelä: Wenn jemand in unserer Musikwelt ein kleines bisschen Talent zu haben scheint, dann wird darüber gesprochen. Es gibt finnische Musiker und Dirigenten, die mit Agenturen arbeiten und viel herumreisen. Und es gab ein Konzert in Helsinki, mit den Philharmonikern, bei dem ich Strawinskys „Petruschka“ dirigierte, einer meiner ersten größeren Termine. Auf einmal waren danach einige Agenturen interessiert, ich habe mich für eine in London entscheiden. Das war dann wohl der Schritt ins Internationale.

Wie ist ihr Blutdruck, wenn Sie sich Ihren Terminkalender ansehen? Der ist voll.

Mäkelä: Ja! Aber ich genieße es sehr, mit voller Intensität zu arbeiten, auch in Proben. Wenn man da nicht Vollgas gibt, kann man es nicht dem Konzert überlassen, dass etwas entsteht. Und das Orchester gibt mir immer mehr als ich ihnen. Das hält mich lebendig und inspiriert mich. Was schlaucht, ist das Reisen. Aber ohne kommt man nun mal nicht vor die schönen Orchester.

Sie leben in Helsinki, da könnten Sie doch bis 2023 einfach abwarten, dann verlässt Susanna Mälkki den Chefposten bei den Philharmonikern, es gibt dieses schicke Konzerthaus Musiikkitalo und sie könnten mal eben mit dem Fahrrad zur Arbeit. Nie daran gedacht?

Mäkelä (lacht): Eher nicht. Dafür habe ich schon etwas zu viele Orchester.

Einerseits gibt es gerade die greisen Old-School-Dirigenten, das Kaliber Muti, Mehta, Barenboim, seit Jahrzehnten aus Prestigeposten – andererseits aber auch so jungen Nachwuchs wie Sie, Mirga Grazinyte-Tyla in Birmingham, den Finnen Santtu-Matias Rouvali in London. Kürzlich hat die Kammerphilharmonie Bremen den Finnen Tarmo Peltokoski zum Ersten Gastdirigenten berufen, der ist 21. Kinderarbeit also, quasi. Wie fühlen sich diese Gegensätze für Sie an?

Mäkelä:  Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Viele von denen, die Sie nannten, haben ebenfalls sehr früh angefangen und haben wahrscheinlich Ähnliches erlebt. Ich glaube, niemand ist grundlos dort, wo er jetzt ist.

Sie haben einerseits den Druck vom Klassik-Business, so sichtbar und omnipräsent wie möglich zu sein. Sie könnten sich aber auch sagen: Egal, selbst wenn ich mit bestimmten Dingen zehn Jahre warte, bin ich immer noch erst 36. Wie gut können sie geduldig sein?

Mäkelä:  Von Seiten der Industrie habe ich keinen Druck verspürt, ich arbeite aber auch mit Menschen, die selbst ausgeglichen sind und spüren, dass sie mich nicht drängen müssen. Sich irgendein Orchester bis zu einem gewissen Zeitpunkt vorzunehmen, halte ich nicht für produktiv. Wirklich viel lieber möchte ich Debussys Oper „Pelléas et Mélisande“ machen, dafür möchte ich aber Französisch sprechen können, sonst käme ich mir wie ein Betrug vor. Diese Art Ehrgeiz ist mir viel wichtiger.

Kommen wir zur Sibelius: Sie haben alle Sinfonien eingespielt und kommen damit nach Hamburg. Als Nicht-Finne kann ich es nur ahnen, also: Warum sind diese Stücke für Finnen so wichtig? Und warum auch für alle, die nicht aus Finnland sind?

Mäkelä: Sibelius‘ Einflüsse sind massiv. Wir singen seine Weihnachtslieder, wer ein Instrument spielt, spielt seine Miniaturen, die Orchester spielen seine Sinfonien… Auch wenn die Zeit von Nationalhelden vorüber ist: Er ist jemand, auf den unser kleines Land stolz sein kann. Ohne allzu romantisch zu werden: Die sieben Sinfonien sind Meisterwerke. Die wunderbare Reise von etwas, das seine Wurzeln in der deutschen und etwas auch in der russischen Tradition hat und sich dann zu etwas komplett Unabhängigem und Originalem entwickelt. Die Fünfte war seine Reaktion auf den europäischen Modernismus. Die Siebente hatte er als architektonisches Meisterwerk angelegt, wie es niemand vor ihm getan hatte: Eine Sinfonie, die alles enthält und in zwanzig Minuten mehr sagt als andere Stücke in anderthalb Stunden. Sie sind alle so unterschiedlich und so wunderbar. Besonders wichtig: Die Proportionen stimmen immer. Nichts nervt mehr als jemand, der ein wundervolles Stück schreibt – aber es ist zehn Minuten zu lang.

Sibelius‘ Sinfonien hatten es vor allem im deutschsprachigen Raum lange extrem schwer, Sie kennen sicher das berüchtigte Urteil von Adorno: „Sie sind keine 1000 Seen, obwohl sie aus 1000 Löchern bestehen“.

Mäkelä: Oh je… Das ist eindeutig verkehrt.

Wie lang haben Sie an diesem Zyklus gearbeitet? Ging es rasant schnell, weil diese Stücke so in Ihren Genen verankert sind? Oder brauchte es extra lange, weil sie für finnische Musiker wie der Heilige Gral sind und sie beim kleinsten Fehler verflucht wären? Was machen Sie anders? Wollten Sie es richtig machen – oder neu?

Mäkelä:  Ich wollte sie so spielen, wie ich glaube, dass sie gespielt werden sollten. Sonst wäre es Unsinn, sie überhaupt aufzunehmen. Sie bieten jedem Dirigenten eine Leinwand, die er mit dem gleichen Notenmaterial mit immer wieder komplett neuen Bildern füllen kann. Obwohl er manchmal sehr genau vorschreibt, was zu passieren hat, gibt es eine Million unterschiedliche Möglichkeiten, in der Balance, den Tempi, der Artikulation, der gesamten Form.

Und wie lief es konkret?

Mäkelä: Der Beginn der Arbeit am Zyklus hier war etwas ungewöhnlich: Geplant war ein Konzertzyklus-Aufnahme über eine ganze Saison und danach ein Tag für Extra-Aufnahmen von Details. Die Spielzeit begann, dann kam Corona und wir wollten zunächst warten, bis wir wieder mit normalen Abständen im Orchester spielen konnten. Im Januar 2021 realisierten wir, dass das noch dauern würde. Hier war alles geschlossen, Oslo war wie eine Geisterstadt. Also war die Wahl, mit 1,5 Metern Abstand aufzunehmen oder es zu lassen, weil wir in der nächsten Saison nicht mal eben Platz für sieben Sinfonien finden würden. Also nahmen wir auf. Alles war geschlossen und alles, was wir spielten, war Sibelius. Wir lebten in einer Sibelius-Blase. Das war schon sehr speziell. Wir finden mit der 2. an, dann kam die 3. und die 5. Und je mehr wir spielten, umso familiärer wurde der Umgang des Orchesters mit dieser Musik. Einige Sinfonien waren gut bekannt gewesen, andere überhaupt nicht. Und nun sind wir sehr froh, dass wir dieses Dokument dieser sonderbaren Zeit haben.

Womit wir wieder bei Frage „Richtig oder neu?“ sind.

Mäkelä: Ich tue niemals etwas, nur um es anders zu tun. Alles, was ich tue, muss einen Hintergrund haben. Ich wollte das Material nutzen, das ich habe, aus Proben, den Konzerten, der Arbeit mit verschiedenen Orchestern, um daraus einen für mich ideal Zyklus zu formen. Abwechslungsreich. Zu Beginn fast etwas Tschaikowsky-haftes, die Leidenschaft eines jungen Manns, der unerträglicher Enthusiasmus und das Drama der Ersten. Später dann die klassischen Ideale und der erfahrene Komponist der Sechsten und Siebenten. Alles soll so klar wie möglich sein, ohne Gefühlsüberschwang. Bei Sibelius dreht sich immer alles um Balance: Was will man hören, was will man nicht hören?

Ist es nicht langweilig, nur noch „ja“ oder „nein“ zu Einladungen zu sagen? Den Spaß des Eifers, den Kampf ums Vorwärtskommen, das haben Sie alles schon nicht mehr. Sie können sich aussuchen, was Sie tun oder lassen, wie bei einem dick belegten All-you-can-eat-Buffet.

Mäkelä: Generell glaube ich nicht, dass man in seinem Leben Kämpfe ausfechten muss, um Kämpfe in der Musik zu erleben… Während des Studiums hatte ich schon auch mit meinen eigenen Dämonen zu tun. Für die Möglichkeiten, die ich hatte, und für das Vertrauen, als ich noch sehr jung war, bin ich sehr dankbar.

In einem Video mit Ihrem Orchestre de Paris sagten Sie, Dirigieren sei auch deswegen so toll, weil Sie den Platz haben, auf dem es am besten klingt. 

Mäkelä: Da ist die Balance perfekt. Manchmal ist es etwas überwältigend, erst recht in einem guten Konzertsaal. Das ist ein so sonderbarer Beruf… Alles dreht sich dabei um Kommunikation, gar nicht so sehr um das Bewegen von Händen und Armen. Ist man bei einem Orchester, das man gut kennt, ist es wunderbar, weil man mit wirklich kleinen Gesten oder Gesichtsausdrücken echte Unterschiede entstehen lassen kann.

Ihre größte Stärke als Dirigent?

Mäkelä: Ich bin Finne, ich kann nicht über mich selbst sprechen.

Und Ihre größte Schwäche als Dirigent?

Mäkelä: Viel bessere Frage… Das größte Problem ist wohl, diese riesige Repertoire-Menge zu bewältigen.

Eine so wahnsinnig vernünftige Antwort…

Mäkelä: Na gut. Ich hasse die Musik von Nielsen.

Beim Anblick der Konzerthalle hier in Oslo war ich schockiert, sie hat nicht die bewährte klassische Schuhschachtel-Form, sondern ist viel zu hoch, und auch noch dreieckig geformt, fast wie ein Schalltrichter.

Mäkelä: Schrecklich, die schlimmste Konzerthalle Europas! Aber es ist ein so tolles Orchester. Schon seit Jahrzehnten wird versucht, eine neue Halle zu bekommen. Das Orchester klingt hier sehr gut, ein echtes Wunder. Sind wir auf Tourneen in anderen Sälen, sind sie gleich zwei Klassen besser, weil all die Nuancen und Farben da viel präsenter sind.

Der große Mariss Jansons war gut zweieinhalb Jahrzehnte hier Chef und hat es trotzdem nicht geschafft, einen neuen Saal wahr werden zu lassen. Sie sind gerade mal gut ein Jahr hier, spüren Sie bereits diese Belastung, für einen Neubau sorgen zu sollen? Zeigen Sie den Politikern Bilder der Elbphilharmonie oder der Pariser Philharmonie, um sie zu überzeugen?

Mäkelä: Wir haben diese Hoffnung. Und es ist viel Teamwork. Dieser neue Saal ist enorm wichtig, nicht nur für das Orchester, auch für die Gesellschaft.

Klingt es auf der Bühne so schlecht, wie es aus dem Parkett aussieht?

Mäkelä: Das Problem ist: Das Orchester klingt zwar immer gut, aber die Balance ändert sich ständig, weil der Saal gegen die Regeln der Akustik gebaut wurde. Je nachdem, wo man sitzt, hört man etwas vollständig anderes.

Sie müssten es ja wissen: Wieso ist das so, das mit den wenigen Finne und den vielen außergewöhnlich guten Dirigenten? Wie passen ständige Ansagen für Dutzende von Menschen, dieses ständige Reden und Erklären, zum Nationalcharakter der Finnen, lieber nichts zu sagen und das am besten in der Sauna?

Mäkelä: Dafür gibt es mehrere Gründe: Wir hatten alle den gleichen Lehrer, Jorma Panula, seine Lehrmethode ist wirklich toll. Und dann ist es ein wenig wie mit Corona: Es breitet sich aus. Weil Esa-Pekka Salonen es schaffte, ermutigte dieses Beispiel die nächste Generation. Finnische Orchester haben immer den Nachwuchs unterstützt. Würde man direkt aus der Hochschule zu einem bedeutenden Orchester gehen – die würden einen lebendig verschlingen. Gnade kennen die nicht. Entweder du bist gut oder nicht, du verschwindest oder kommst wieder. Wir Finnen sprechen nicht viel, für Dirigenten ist das gut – je weniger man sagt, umso besser. Panula meinte immer: Sei hilfreich, aber störe nicht. Genau darum geht es in diesem Job.

Was steht als nächstes auf Ihrer To-do-Liste? Der nächste Zyklus, Oper, Avantgarde, Barock?

Mäkelä: Es stehen ständig tolle Dinge an: Nächste Woche geht es nach London, für die Uraufführung eines Klavierkonzerts von Jimmy López Bellido und Strauss‘ „Zarathustra“. Bei meinen eigenen Orchestern habe ich klar getrennte Pläne. Das Gleiche an zwei Orten macht keinen Sinn, finde ich. Aber wenn man Dirigent ist, steht einem eine ganze Welt aus Musik zur Verfügung, großartig. Ich will mehr Barock machen, das ist gesund für ein Orchester. Ausreichend Standard-Repertoire, das hält sie fit. Und einige Auftragsarbeiten. Oper braucht Zeit, diese Zeit habe ich gerade nicht.

Wie geht es Ihnen in den letzten Minuten, bevor Sie auf die Bühne sollen? Ist das Auftreten schlimmer als das Verlassen?

Mäkelä: Vor Konzerten esse ich viele Bananen, dazu viel Wasser. Das Auftreten gefällt mir sehr, nach einem Konzert kommt es mir oft so vor, als ob ich nicht auch nur einen einzigen weiteren Takt dirigieren könnte.

Welchen musikalischen Wunsch würden Sie sich ganz dringend erfüllen wollen?

Mäkelä: Einen neuen Konzertsaal, eine Mischung aus Elbphilharmonie und Philharmonie de Paris, dazu eine Woche Eröffungsfestival, die Eröffnung mit Oslo, dann würde ich Paris einladen und all meine anderen Lieblings-Orchester: Cleveland, Concertgebouw, und alle meine Lieblingskünstler würden spielen. Dazu eine Auftragsarbeit von Andrew Norman…

Auch interessant

Auch interessant

… und im Backstage-Bereich eine Sauna, nur für Sie…

Mäkelä: … natürlich! Das muss ich mir unbedingt merken. Vielen Dank, mein Freund.

Konzerte: 30. / 31.5., 1.6. Sibelius‘ Sinfonien 1 – 7 mit dem Oslo Philharmonic. Elbphilharmonie, Gr. Saal. www.elbphilharmonie.de Aufnahmen: Klaus Mäkelä „Sibelius“ (Decca, 4 CDs, ca. 30 Euro)