Hamburg. Ein starker, sehr persönlicher, ganz intimer Dokumentarfilm über die Berliner Liedermacherin, die auch Fotoalben öffnet: „Bettina“.

Immer wieder wurde sie verhört. Weil sie 1968 gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestiert und Flugblätter verteilt hatte. Aber die Situation empfand sie als kafkaesk: Ihr Verhörer tat sich schwer mit der Schreibmaschine. Sie aber konnte als ausgebildete Bibliotheksfacharbeiterin mit zehn Fingern tippen. Und meinte: „Wenn es nicht so absurd wäre, würde ich sagen, geben Sie mir die Schreibmaschine.“ Der Stasi-Mann tat das sofort. „Dann hab ich meine eigene Vernehmung getippt.“

Das erzählt Bettina Wegner, mit heute 74 Jahren, zu Hause auf ihrem Sofa. Mit allem Schalk, den sie besitzt. Und der sie wohl auch solche Situationen überstehen ließ. Der Dokumentarfilm „Bettina“ von Lutz Pehnert ist eine Hommage an die große Liedermacherin. Und eine sehr persönliche. Weil Wegner eben selbst aus ihrer Vita erzählt. Und dazu private Fotoalben öffnet.

Filmkritik: Bettina Wegner in West-Berlin geboren

Sie ließ Pehnert nicht nur bei den Konzerten filmen, die sie immer noch gibt, sondern auch bei den Proben. Dazu hat der Filmemacher viel seltenes Archivmaterial gesammelt, frühe Konzertmitschnitte der noch jungen Sängerin. Aber es kommt noch eine Quelle dazu: die Verhöre von 1968, die zwar nicht im Bild, aber als Tonaufnahmen vorliegen. Wobei eine junge Frau zu hören ist, die fast schüchtern klingt. Und doch sehr bestimmt erklärt, warum sie protestiert hat: „Ich musste zum Ausdruck beringen, dass ich dagegen war.“

Wegner ist in West-Berlin geboren. Die Eltern zogen in den Osten, weil der Vater dort arbeitete. Die Tochter glaubte an den neuen Staat, in dem sie aufwuchs. Zum Verdruss ihrer Eltern. Und doch eckte sie immer wieder an, nicht, weil sie gegen den Sozialismus war, sondern gerade weil sie an ihn glaubte. Sie erhob ihre Stimme. Buchstäblich. Sie sang. Und schrieb Lieder. Und wurden sie verboten, schrieb sie eben neue. Aber sie ließ sich nicht den Mund verbieten.

Wegner erzählt von ihrer großen Liebe

Selbst als sie im Osten nicht mehr auftreten durfte, kehrte sie nach Konzerten in Wessiland immer wieder in den Osten der Stadt zurück. Erst als man ihr offen Gefängnis androhte, siedelte sie 1983 schweren Herzens um. Was sie bis heute als Heimatverlust bezeichnet. Auch das kafkaesk: Wegner sitzt in ihrem Haus in Dahlem, in dem sie seither wohnt, und gibt zu, dass sie immer noch von „drüben“ spricht, wenn sie den Westen meint. Bettina Wegner ist eine wunderbare Erzählerin, die diese eigentlich tragische Vita mit viel Galgenhumor pariert. Und mit der typischen Berliner Schnoddrigkeit, die ihr keiner abgewöhnen konnte. Nicht die Eltern. Und auch nicht der Staat.

Pehnert muss nur zuhören. Wegner ist wie ein offenes Buch, wenn sie von ihrer großen Liebe Thomas Brasch erzählt und warum sie zerbrach. Oder auch, weniger bekannt, von ihrer Liebesaffäre mit Oskar Lafontaine. „Bettina“ ist ein geradliniger Film. Muss es vielleicht sein, weil das Leben, um das es geht, so wenig geradlinig war und so viele Brüche erfuhr. Der Zuschauer hat dabei das Gefühl, mit in ihrer Stube zu hocken. Eine ganz intime Atmosphäre. Zugleich wohnt er ihren Konzerten bei, den alten wie den neuen. Und ganz am Ende singt sie auch „Sind so kleine Hände“.

Filmkritik: Bettina Wegner – eine Frau mit Haltung

Dieses Lied hat sie lange nicht mehr gesungen, weil man immer nur dieses eine mit ihr verband. Eines Tages aber brachten ihre Söhne eine Platte mit, auf der eine Punkband ihren Hit frech umgetextet hat: „Sind so kleine Biere / Ist so wenig drin.“ Das hat sie mit ihrem Hit versöhnt. Eine andere Band kam weniger glimpflich davon. Die hat das mit reaktionären Tönen unterlegt und sang von „unsren Kindern“ und „unsrem Blut“. Dagegen hat die Urheberin geklagt. Und recht bekommen.

Bettina Wegner ist bis heute eine selbstbewusste, streitbare Frau mit Haltung. Eine, die sich nicht einschüchtern, nicht unterkriegen lässt. Und stets offen sagt, was sie denkt. Ein starker Film über eine starke Frau.

„Bettina“ Dokumentarfilm, 107 Minuten, von Lutz Pehnert, läuft im Metropolis-Kino