Hamburg. Leander Haußmanns „Stasikomödie“ wird in Täterperspektive erzählt, versammelt viele Stars und arbeitet ungeniert mit Klischees.

Ein Fest soll es werden. Ein richtiger Ostalgie-Abend. Mit Spreewaldgurken, Halloren-Kugeln, Schlager-Süßtafel. Denn Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf), Star und Dissident der einstigen DDR-Künstlerbohème, bringt seine Stasiakte mit nach Hause. Und die ganze Familie will darin blättern, was die Firma Horch und Guck früher so bespitzelt hat.

Anfangs amüsiert man sich noch über all die schlüpfrigen Details, die da vermerkt sind. Dann aber findet sich ein Liebesbrief, der offenbar zerrissen, von der Stasi aber zusammengeklebt wurde. Da ist Ludgers Ehefrau (Margarita Broich) sauer: Von ihr ist der Brief nicht. Fuchs verlässt fluchtartig die Stube. Und ist ebenfalls sauer: Hat doch jemand seine Täter- und Opfer-Akte vertauscht!

Filmkritik: Staatssicherheit wird weggelacht

Das ist der erste Clou von Leander Haußmanns „Stasikomödie“. Ein Film, der sein Programm schon im Titel trägt. Quasi Stasi-Exorzismus, aber nicht auf gruslige, sondern groteske Weise. Indem man die Staatssicherheit weglacht und ihre allzeit spitzelbereiten Kader der Lächerlichkeit preisgibt.

Lauter graue Mäus- oder doch Männlein, die stundenlang im Auto hocken müssen und sich aus lauter Langeweile gegenseitig knipsen. Pappnasen, die in Wohnungen einbrechen, ohne zu merken, dass die Zielperson zugegen ist. Duckmäuser, die vor Wutausbrüchen im Chefzimmer zittern, auch wenn die aus der Glotze kommen.

Film aus Täterperspektive

Größte Zumutung aber: Das Ganze wird nicht aus Opfer-, sondern aus Täterperspektive erzählt. Der Vorzeige- Dissident ist in Wirklichkeit Stasi-Nachwuchs. Zeitsprung zurück: Der junge Fuchs (nun dargestellt von David Kross) wird von seinem Führungsoffizier Siemens (Henry Hübchen) in die „Nev-Dek“ eingeführt, die negativ-dekadente Szene des Prenzlauer Bergs.

Fuchs, anfangs noch brav mit Seitenscheitel, wird das Haar verstrubbelt, kriegt eine West-Jeans, darf eine Wohnung besetzen und am offenen Fenster Schreibmaschine tippen. Fertig ist der Bohemien. So soll er das Vertrauen der Künstler gewinnen. Nur sind seine Texte halt keine Literatur, sondern Observierungsberichte.

Über die Stasi darf gelacht werden

Dumm nur, dass er sich dann just in die Frau verliebt, auf die er angesetzt ist. Dumm auch, dass noch eine zweite Frau ins Spiel kommt. Richtig kompliziert wird es aber noch durch eine ganz andere Liebe: die des Führungsoffiziers zu seinem Untergebenen, den er quasi als Sohn sieht. Und den er auch ständig bei dessen Spitzelaktionen überrascht und damit alle Geheimhaltung torpediert.

Darf man über die Stasi lachen? Ist das nicht eine Verharmlosung, ja Verhöhnung der Opfer? Aber nein. Die Diskussion wurde ja schon um Adolf Hitler geführt. Und Charles Chaplin hat sie mit „Der große Diktator“ ein für alle Mal beantwortet. Und was die DDR angeht, will Haußmann die Deutungshoheit auch nicht dem Westen überlassen, wo es ein Florian Henckel von Donnersmarck mit „Das Leben der Anderen“ sogar bis zu Oscar-Meriten schaffte. Haußmanns „Stasikomödie“ ist wie ein radikaler Gegenentwurf, ja eine Parodie darauf.

Abschluss von Haußmanns DDR-Trilogie

Sollte es wirklich jemand noch nicht wissen: Auch Leander Haußmann gehörte einst der dekadenten Kulturszene des Prenzlauer Bergs an, wurde ebenso bespitzelt wie sein Vater Ezard. Von Verharmlosung kann also keine Rede sein. Der Mann weiß, wovon er filmt. Und manche Drehbuchidee hat er auch direkt aus Stasi-Akten entnommen.

Seit Langem hat er an diesem Film gesessen, so lange, dass er es zwischendurch schon auf die Bühne brachte, als „Staatssicherheitstheater“ an der Volksbühne. Nun ist es doch noch ein Film geworden und wird gar als Abschluss von Haußmanns DDR-Trilogie beworben, die 1999, zehn Jahre nach dem Mauerfall, mit „Sonnenallee“ begann, worauf 2005 die deutlich schwächere Volksarmee-Posse „NVA“ folgte. „Stasikomödie“ kehrt nun wieder zu alter Kraft und Haußmanns-Kost zurück.

Haußmann bedient sich allerhand Klischees

Wie als Faustpfand versammelt der Regisseur fast alle Stars seiner bisherigen Filme, von Henry Hübchen bis Detlev Buck, der Abschnittsbevollmächtigte aus „Sonnenallee“, der nun ein ebenso pingeliger Oberwachtmeister ist. Auch der längst verstorbene Haußmann senior ist noch mal zu sehen: im Fernsehen, wo die Serie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ läuft. Die dient auch als Motto eines Stasi-Maskenballs, auf der Erich Mielke (Bernd Stegemann) als August der Starke posiert. Da wird die Verkehrung und Übewindungsfantasie perfekt: Die Stasi lässt sich von der Kunst inspirieren. Immer nur Uniform ist halt doch zu grau.

Für den Überwachungsapparat findet Haußmann gleich anfangs eine treffliche Metapher: Bevor Fuchs angeworben wird, wird er auf die Probe gestellt. Eine Fußgängerampel am Leninplatz wird auf Dauerrot gestellt. Kein Auto weit und breit. Aber Fuchs bleibt stehen. Linientreu bis zur Sinnentleerung! Die Botschaft ist klar: Etwas mehr ziviler Ungehorsam darf ruhig sein. Haußmann jedenfalls geht mit seinem Film über jede rote Ampel. Kein Witz, der zu platt wäre, kein Klischee, das man nicht noch mal auslutschen könnte.

Filmkritik: „Stasikomödie“ ist eine Gratwanderung

Natürlich ist der Film eine Gratwanderung. Und er wird auf Gegenwehr stoßen. Im Osten kann nicht jeder darüber lachen, im Westen wird einfach nicht jeder mit der Materie vertraut genug sein. Doch das schert Haußmann wenig. Er pfeift wie üblich auf Regeln und Konventionen.

Er lässt die Pointen einfach galoppieren, auch wenn sie ihm manchmal durchgehen. Und perfektioniert weiter seine ureigene Comédie haußmain. Er selbst nennt „Stasikomödie“ seinen persönlichsten Film. Und auch von einem Abschluss seiner DDR-Aufarbeitung soll keine Rede sein. Er möchte den Ost-Film sogar zum eigenen Filmgenre ausbauen.

„Stasikomödie“, 115 Minuten, von Leander Haußmann, mit David Kross, Jörg Schüttauf, Antonia Bill und Margarita Broich, läuft im Abaton, Zeise, Blankeneser, Koralle, Passage, Cinemaxx Dammtor, UCI Mundsburg, Othmarschen