Hamburg. Beim Internationalen Musikfest luden das HR-Sinfonieorchester und Pianist Pierre-Laurent Aimard zu einem Natur-Programm.
Ein schwarzes Grummeln und Knarzen im Kontrafagott, wie aus den Tiefen der Erde. Ein Kreischen der Klarinetten, aufgeschreckt von den Schlägen der großen Trommel. Und immer wieder dieser zarte Streichernebel, der aus einer anderen Zeit hereinzuschweben scheint. George Crumbs „A Haunted Landscape“ eröffnet ein Zauberreich der Klänge und Assoziationen. Musik zum Staunen, vom HR-Sinfonieorchester aus Frankfurt feinsinnig in Szene gesetzt.
Ein schöner Auftakt zu einem ungewöhnlichen Programm beim Internationalen Musikfest. Im Großen Saal der Elbphilharmonie präsentiert das Orchester unter Leitung von Brad Lubman Werke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Werke von sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, die eines verbindet: Alle Stücke bekennen eine Verbindung zur Natur.
Elbphilharmonie: kleine Tierchen streifen durchs akustische Gebüsch
In George Crumbs nächtlicher Landschaft, gespickt mit exotischen Schlagwerkeffekten, raschelt und rauscht es, als würden kleine Tierchen im Schutz der Dunkelheit durchs Gebüsch streifen. Die „Words of the Sea“ von Augusta Read Thomas sind von einem Gedicht angeregt, in dem der Gesang einer Frau und der Klang des Ozeans miteinander verschmelzen.
- Irres Tempo: Kuusisto wie ein Folklore-Fiedler auf Speed
- Florian Boesch gab sich als Chamäleon – und ließ erschauern
- Kein Wagnis, kein Funken Drama – nichts, was berührt
Inspiriert von diesem Text, schreibt die Komponistin ein schillerndes und virtuoses Stück. Vor allem der dritte Satz fesselt mit seinen Taktwechseln und krummen Grooves. Brad Lubman dirigiert ohne Taktstock und hat das komplexe Geschehen sicher im Griff.
Das "Erwachen der Vögel" – und ein Ausflug ins All
Vertrackte Rhythmen prägen auch das Hauptwerk des Abends, aber auf ganz andere Weise: In seinem „Réveil des oiseaux“ für Klavier und Orchester begleitet der bekennende Vogelfan Olivier Messiaen die gefiederten Zwitscherkünstler durch den Tag. Er zitiert den Ruf beziehungsweise Gesang von Steinkauz und Nachtschwalbe, lauscht dem morgendlichen Tschilpen des Gartenspötters und lässt die plappernde Mönchsgrasmücke zu Wort kommen.
Soloklavier, Geige und Klarinette imitieren die Vogelrufe, werfen sie einander zu und verwandeln sie in Motive, die sich nach und nach zu einem dichten Stimmengeflecht verzahnen. Pierre-Laurent Aimard ist schon seit mehr als fünf Jahrzehnten mit Messiaens Musik vertraut. Er weiß genau, wie man ihre ganz eigene Farbfülle auf dem Flügel auskostet und gleichzeitig eine größtmögliche Transparenz wahrt.
Ein faszinierender Ausflug ins Vogelreich, bevor das Programm zum Abschluss in kosmische Dimensionen vorstößt. Claude Viviers „Orion“ beschwört die schwer fassbare Pracht des Alls, mit Klängen von fast romantischer Schönheit – und endet mit einem archaischen Choral, der in einer einzigen Geste das Universum zu umspannen sucht.