Hamburg. Bariton Florian Boesch und der fantastische Pianist Malcom Martineau mit einem Krenek-Abend in der Elbphilharmonie. Die Konzertkritik.

Seine Jazz-Oper „Jonny spielt auf“ war 1927 ein sensationeller Erfolg, bis die Nazis das Stück von den Spielplänen vertrieben. Und bis heute hört man Musik des in die USA emigrierten Österreichers Ernst Krenek (1900-1991) eher selten. Schön dumm, denn der Mann verstand nicht nur das kompositorische Handwerk, er konnte auch gut Texte schreiben.

Das bewies jedenfalls der österreichische Bassbariton Florian Boesch bei seinem Liederabend in der Elbphilharmonie mit dem fantastischen Pianisten Malcom Martineau. Auf dem Programm: Kreneks „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“. Passend zum diesjährigen Motto des Hamburger Musikfestes: Natur.

Elbphilharmonie: Liederabend mit Bariton Florian Boesch

Noch keine 30 Jahre alt erkundete Krenek 1929 seine Heimat und schrieb über die verschiedenen Orte und seine Erlebnisse 20 Gedichte, die er dann vertonte. Anfangs ist er „neugierig, ob ich’s finde: mein Vaterland“, dann gerät er aber immer mehr ins Grübeln über Sitten und Gebräuche, über arrogante Mönche, verrückte Touristen, feindselige Alpenbewohner, das Wetter, die Berge und mehr. Eine Reise auch ins Innere zu sich selbst.

Am Ende wundert sich der Wanderer, dass er trotzdem allem fröhlich sei. Krenek war als Komponist ein virtuoses Chamäleon, er konnte die verschiedensten Musikstile und Techniken unglaublich wirkungsvoll wechseln. Der Jazz-Ton aus „Jonny spielt auf“ blitzt im „Alpen-Reisebuch“ nur ganz selten durch, dafür klingt’s oft nostalgisch nach Schubert und Ländler, aber nicht als billige Kopie, sondern immer gebrochen, mit „störenden“, fragenden dissonanten Tönen voller Sarkasmus und Bitterkeit. Die Welt ist nicht heil.

Florian Boesch gibt sich in der Elbphilharmonie als Chamäleon

Florian Boesch gilt zu Recht heute als einer der besten Liedsänger, und weil er wie Krenek Österreicher ist, gibt es vielleicht keinen idealeren Interpreten für diesen speziellen Liedzyklus als ihn. Boesch – anscheinend auch eine Art Chamäleon - gab seinem so warmen und kernigen Bassbariton jede erdenkliche Farbnuance und Stimmung.

Sein Fortissimo fegte einen hinweg, das fahle Wispern seines Pianissimo ließ erschauern. Jedes Wort hatte bei Boesch wirkliche Bedeutung, der Schmelz seiner intensiven melodischen Bögen verzauberte. Dabei wirkte er so frei und souverän, wie man es von einem Liedsänger nur wünschen kann. Ein großartiger Abend.