Hamburg. „Continuum“ hat der Jazzmusiker mit einem Orchester aufgenommen. Im Juli spielt der preisgekrönte Trompeter mit Max Mutzke im Stadtpark.
Die Regler hoch, entspannt zurücklehnen und dann rein in das wohlig umhüllende Klangmeer: Nicht ohne Grund präsentiert Nils Wülker sein aktuelles Album „Continuum“ in einem Tonstudio in Altona. Hier gibt es die technischen Voraussetzungen für Dolby Atmos, ein mehrdimensionales Klangerlebnis, extrem detailgenau und dabei voller Wärme.
Wer die zehn Kompositionen auf diese Weise hören will, muss sie allerdings bei ausgesuchten Anbietern wie Amazon Music streamen und über Kopfhörer oder eine spezielle Dolby-Atmos-Anlage genießen. Eine gewöhnliche CD kann diese Bandbreite technisch nicht abbilden – und die Vinylversion natürlich auch nicht.
Neues Album entstand während des Lockdowns
Jedoch: Das künstlerische Niveau des Albums offenbart sich auch ohne spezielles Equipment, denn „Continuum“ folgt einer nicht verhandelbaren Maxime des Trompeters: „Eine gute Komposition muss auf jede erdenkliche Art funktionieren.“ Und an erstklassigen Kompositionen herrscht hier tatsächlich kein Mangel. Geschrieben hat sie Wülker nicht nur für seine Band, sondern auch – und das ist in diesem Fall der dominierende Faktor – für das Münchner Rundfunkorchester.
Ebenso wie das Vorgängeralbum „Go“ entstanden während der Lockdowns, der Zeit des Stillstands, der Verunsicherung. Ihm habe diese kreative Arbeit sehr geholfen, sagt Wülker, und dazu beigetragen, dass ihm die Pandemie weniger aufs Gemüt schlug als manchem seiner Kollegen. Dass auch in dieser Zeit Aufträge hereinkamen und er etwa mit der NDR Radiophilharmonie Hannover spielen konnte, war natürlich ebenfalls ein Gewinn. Ein wichtiger Auftritt, sei das gewesen, der ihn bei seiner Arbeit an „Continuum“ deutlich beeinflusst habe.
Kostspielige Live-Konzerte
Um ein echtes Miteinander sei es ihm gegangen, nicht darum, den Sound seiner Band einfach nur mit einem orchestralen Klangteppich zu unterlegen. Tatsächlich sind Orchester und Wülkers Trompetenspiel auf diesem Album meist gleichberechtigt, ist mal die Trompete Startrampe für ein überwältigendes Orchestertutti, dann wieder hat sie die melodische Leitfunktion, und das Orchester wirkt eher begleitend. In jedem Fall ein sehr organisches Zusammenspiel voller Dynamik.
Live präsentieren lässt sich das schwieriger als Wülkers frühere Alben, immerhin waren allein 55 Orchestermusiker beteiligt; eine Tour wäre wegen der hohen Reise- und Übernachtungskosten kaum finanzierbar, weshalb es nur wenige Konzerte gibt – auf die sich Nils Wülker um so mehr freut. Schon sein Auftritt im vergangenen November im Hamburger Stage Club sei ein großes Ereignis gewesen, sagt er. Endlich wieder live spielen: „Das hat mir total gefehlt!“ Gleichwohl sei auch heute noch Verunsicherung zu spüren. Manch potenzieller Konzertgänger müsse sich erst wieder an die Nähe gewöhnen, mancher befürchte wohl, dass geplante Konzerte wieder abgesagt werden – der Kartenverkauf komme überall nur langsam in Gang.
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Da passt es schon, dass „Continuum“ in erste Linie Futter für die heimische Anlage ist, Ruhe und Konzentration gut vertragen kann. „Ein Album ist für mich kein Datencontainer, sondern eine Kunstform“, sagt Wülker und wünscht sich, dass auch jene, die streamen, nicht hin und her springen, sondern alle Songs in der vorgesehenen Reihenfolge hören. Ganz so, wie es der Dramaturgie dieses fabelhaften Albums entspricht.
Nils Wülker: „Continuum“ (Warner Music) Konzert: Sa 23.7., 19.00, Stadtpark, als Special Guest von Max Mutzke