Der neue Film „Dr. Strange in the Multiverse of Madness“ spielt mit Metaebenen und Subtexten – das durchdringen nur noch Experten.

Mal ganz ehrlich: Wer steigt da noch durch? Klar, mit seinem Marvel Cinematic Universe (CMU) hat das Comic-Haus Marvel das erfolgreichste Franchise der Filmgeschichte entwickelt. Aber schon beim Aufzählen kann man ins Stocken geraten: Wie viele Superhelden gibt es da, die meist mit-, aber auch mal gegeneinander kämpfen? Seit 2008 kamen bereits 27 Kinofilme heraus, die alle lose zusammenhängen, nicht zu vergessen all die Serienformate, die nebenbei entwickelt wurden.

So gibt es einerseits Marvel-Spezialisten, die sich wirklich auskennen und sich über jede Anspielung amüsieren können. Aber auf der anderen Seite auch eine große Zahl an Zuschauern, die zunehmend überfordert sind. Wer war da gleich noch wer? Wer lebt noch, wer ist schon gestorben oder auferstanden? Und dann muss ja mit jedem Film das Universum erweitert, müssen die bisherigen Spektakel getoppt und überhöht werden. Doch, da kann man sich schon mal verloren fühlen.

Kino: 28. Marvel Film „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“

Da ist es eigentlich nur ausgleichende Gerechtigkeit, wenn es einem dieser Superhelden nun selber so geht: Er findet sich nicht mehr zurecht. Und es trifft dabei, in Film Nr. 28, „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“, ausgerechnet jenen Magier, der so schön mit Flammenbällen und Schutzschildern jonglieren kann. Man muss sich Kevin Feige, den Präsidenten der Marvel-Studios, selbst als einen solchen Dr. Seltsam vorstellen. Einer, der ständig mit Handlungssträngen und Metaebenen jongliert, mit ihnen bizarre Kapriolen schlägt und lauter neue Falltüren auftut. Nun aber lässt er Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) selbst durch solche Falltüren fallen.

Der seltsame Doktor hatte erst einen Solo-Film (2016), war seither aber auch in anderen Avengers-Filmen dabei und zuletzt in „Spider-Man: No Way Home“, wo er aus Versehen das Portal zum Multiversum öffnete. So wurden plötzlich die Spider-Männer der früheren Kinofilme in den neuen katapultiert, mitsamt ihren jeweiligen Gegenspielern. Da wurde ordentlich am Rad der Logik gedreht. Wie kann man das überbieten? Indem man den Doctor nun selbst in dieses Multiversum katapultiert.

Einige Konstanten bleiben

Erst hat Strange ständig den gleichen Albtraum: dass er ein ihm fremdes Mädchen rettet. Und dabei stirbt. Dann steht dieses Mädchen plötzlich vor ihm und meint, das sei kein Traum, sondern Realität. Nur in einem anderen Universum. Das Mädchen mit dem patriotischen Namen America Chavez (Xochitl Gomez) hat die Gabe, durch die Universen reisen zu können. Das macht sie interessant für eine andere Marvel-Heldin, Wanda (Elizabeth Olsen), die nicht mehr glücklich ist in dieser Welt und in eine andere gelangen will. Dafür will sie America deren Gabe kaltherzig entreißen.

Strange, na klar, steht America bei. Und gerät gemeinsam mit dem Super-Teenager in ein anderes Universum. Auch da gibt es ein New York, aber das ist viel grüner und blumiger. Hier geht man bei Rot, nicht bei Grün über die Ampel. Und auch sonst versteht Strange die Welt nicht mehr. Es gibt zwar auch in dieser Welt alte Bekannte, aber die sind ihm nicht gewogen. Denn er gilt hier selbst als der schlimmste Bösewicht. Und muss sich seinem eigenen Alter Ego stellen.

Es bleibt kompliziert

Also kein Gipfeltreffen verschiedener Spider-Männer diesmal, sondern ein Cumberbatch in multipler Version. Das ist nur der grobe Rahmen für mal wieder zahllose Effekte, Sprünge und Stürze in Fallstricke, Metaebenen und Subtexte. Dabei gibt es auch ein Wiedersehen mit einem Helden aus einer ganz anderen Reihe. Und einem aus einem künftigen Film. Es bleibt also kompliziert.

„Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ wartet zudem mit einem Comeback auf. Nicht vor, aber hinter der Kamera. Regie führte Sam Raimi, der die ersten „Spider-Man“-Filme verantwortete, aber seit fast einem Jahrzehnt keinen Kinofilm mehr inszeniert hat. Er versorgt den Film auch mit den bei ihm üblichen Horrorelementen.

Doch während der erste „Dr. ­Strange“-Film noch eine visuelle Offenbarung war, bei der die Bildwelten dauernd kaleidoskopisch zusammenklappten, wie Papier zerknüllten oder sich in Einzelelemente auflösten, sind die Effekte diesmal eher Marvel-Standard. Wer zudem den letzten „Spider-Man“-Film und die „WandaVision“-Serie nicht kennt, wird nicht ganz folgen können. Und dann verliert sich die Handlung im Irrsinn der Beliebigkeit von Parallelwelten. Bei aller Grenzenlosigkeit des Multiversums scheint die Marvel-Magie doch an ihre Grenzen zu stoßen.

„Dr. Strange in the Multiverse of Madness“ 126 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy, UCI Mundburg/Othmarschen/Wandsbek