Hamburg. Den Dunklen Ritter spielt der Ex-Teenieliebling aus den „Breaking Dawn“-Filmen als Held, der ein Gewaltproblem hat. Lohnenswert?
Früher musste man ja im Kaffeesatz lesen. Heute hat man dafür einen Barista. Also einen Kaffeezubereiter, der einem einen Gruß auf den Milchschaum zaubert. Einen Smiley. Ein Herz. Oder eine Blume. Auch im neuen „Batman“-Film gibt es so eine Botschaft aus der Kaffeetasse. Aber sie ist ein Fragezeichen. Und Fragen und Rätsel gibt es viele in diesem Film, allen voran: Wer ist dieser Batman?
Er sei ein Freak, schimpft ein Polizist. Der örtliche Mafiapate verhöhnt ihn als „Zorro“. Der Fledermausheld meint in aller Kürze, er sei die Vergeltung. Selbst als seine Mitstreiterin Catwoman ihn küsst, wird sie nicht recht schlau aus ihm und fragt ihn, wer er „da drunter“, unter der Maske, sei. Einer scheint es zu wissen: sein Gegenspieler, der „Riddler“. Der droht, die wahre Identität des Dunklen Ritters zu enttarnen. Vielleicht, murmelt der Held durch seine schmalen, fest aufeinandergepressten Lippen, käme damit alles zu einem Ende. Aber nein, es kommt zu einem Neuanfang.
Neu im Kino: Robert Pattinson ist der neue Batman
Denn schon wieder gibt es eine Stabübernahme im Batman-Universum. Und der Neuzugang ist der Jüngste, der je unter dem Fledermauskostüm steckte: Robert Pattinson. Eine fast logische Wahl. Berühmt wurde der heute 35-Jährige als Vampir und bleicher Gothic-Liebhaber in den „Breaking Dawn“- Filmen nach Stephenie Meyers’ Romanen. Pattinson wurde damit zum Teenie-Star und Mädchenschwarm. Und hätte fortan eigentlich in Blockbustern spielen oder ewig den Lover variieren können.
Stattdessen hat sich der Schauspieler stets für anspruchsvolles Arthouse-Kino entschieden, für David Cronenbergs „Cosmopolis“ etwa, das düstere Seelendrama „The Lighthouse“ oder Claire Denis’ abgedrehte Science-Fiction „High Life“. Meist spielte Pattinson wortkarge, verschlossene, rätselhafte Charaktere. Und wenn schon Blockbuster, dann mit Anspruch: etwa Christopher Nolans hochintellektuellen Agentenfilm „Tenet“. Statt auf Karriere und Kasse achtete Pattinson stets auf Kunst und Klasse. Jetzt also kommt für ihn der Dunkle-Ritter-Schlag: vom Vampir zur Fledermaus.
Christopher Nolan und Christian Bale setzten neue Maßstäbe
Es gibt eine Reihe von Stars, mit denen Pattinson sich nun vergleichen lassen muss. Okay, Adam West, der den Comic-Helden in der Fernsehserie der 60er-Jahre spielte, war noch recht unbekannt. Aber als Warner Bros. Batman 1989 zum Kino-Event hypte, spielte ihn zunächst Michael Keaton, und der galt lange als die ideale Besetzung: weil er per se eher unauffällig war und die Maske, die Doppelidentität, brauchte, um Konturen zu erhalten. Seine Nachfolger, die Beaus Val Kilmer und George Clooney, benötigten das eigentlich nicht, aber in diesen Jahren ist „Batman“ ohnehin zum reinen Popcorn-Spektakel für pubertäre Jungs verkommen.
Das änderte sich fundamental, als Christopher Nolan von 2005 bis 2012 einen Batman für Erwachsene kreierte: eine zutiefst ambivalente und zerrissene Figur voller Selbstzweifel, die von Christian Bale kongenial verkörpert wurde. Alle weiteren Batmänner müssen sich an dieser Trilogie messen, die auch dem Comic-Kino selbst zu einem neuen Höhenflug verhalf und ein anderes Unternehmen erst ermutigte, seine Superhelden aus den Sprechblasenheftchen auf die große Leinwand zu katapultieren: Marvel mit seinen Avenger-Figuren Thor, Captain America, Iron Man & Co.
Wie macht sich Robert Pattinson als neuer Batman?
Die Avengers wurden bekanntlich zum bis heute erfolgreichsten Kino-Franchise. Das hat wiederum den Konkurrenten DC ermutigt, seine Helden Super-Man und Batman zu reanimieren. Mit deutlich weniger Erfolg. Ben Affleck hat in „Superman vs Batman“ und „Justice League“ eigentlich nur das getan, was er am besten kann: verbissen mit den Backenknochen mahlen.
Wie also, so die große Frage, schlägt sich nun Robert Pattinson? Der neue Film heißt „The Batman“, als habe es nie einen anderen gegeben. Er fängt aber nicht wieder ganz von vorn an, sondern setzt schon voraus, dass das Publikum etwas vertraut ist mit diesem Mann mit Doppelidentität, diesem Schwerreichen, aber auch Schwertraumatisierten, der als Kind seine Eltern sterben sah und deshalb zum Rächer wurde.
Gotham City: Mal wieder eine Stadt voller Korruption
Wie schon Affleck trägt auch Pattinson einen regelrechten Panzer auf dem Leib, an dem er schwer zu tragen hat und der den Helden etwas unbeweglich wirken lässt. Da sind die Konkurrenten aus dem Avengers-Lager deutlich alerter. Auch Pattinson mahlt gern mit dem Kiefer. Man muss schon Angst um seine Zähne haben. Aber bei ihm ist das nicht nur bemühte Mimik. Pattinson spielt da mit seiner Persona. Als leide er immer noch darunter, als Teenieschwarm unterschätzt und nicht als Charaktermime erkannt zu zu werden.
Auch wenn er sein eigentliches Leben lebt, das ja nur Staffage ist, als Bruce Wayne, der reiche Bürger von Gotham City, selbst dann schaut dieser Mann gequält und aus dunkelsten Augenringen. Wobei ihm eine dicke Haarsträhne ins Gesicht fällt, als wolle sie dieses durchstreichen. Pattinson war ja nie wirklich attraktiv, aber immer sehr markant, mit einem ausdrucksstarken Gesicht, das zur Maske vereisen kann. Sein Batman trägt Narben auf der Haut wie auf der Seele. Für Ironie ist hier nur am Rande Platz, aber dieses Detail ist doch charmant: Trotz aller Hightech-Ausrüstung macht er sich seine Notizen nicht am PC, sondern handschriftlich, mit dem Füller.
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Ein Kuss zum Sonnenaufgang
Alles andere in diesem Film, der von Matt Reeves inszeniert wurde, dem Regisseur von „Cloverfield“ und den neuen „Planet der Affen“-Filmen, alles andere ist eine einzige Symphonie aus Düsternis, Untergrund und metallischen Klängen. Gotham City ist mal wieder Inbegriff einer korrupten Stadt, in der ein Würdenträger nach dem anderen sich als Übeltäter heraus- und vom „Riddler“ (Paul Dano) kaltgestellt wird. Wirklich regiert wird die Stadt von Kriminellen, vom Mafia-Paten Falcone (John Turturro) und vom Pinguin (hinter dessen Maske Colin Farrell kaum zu erkennen ist). Batman muss sowohl die Morde aufdecken als auch diese Bösewichte bekämpfen. Wobei er von Catwoman (Zoë Kravitz) unterstützt wird und vom Polizei-Officer Gordon (Jeffrey Wright) – aber gegen den gesamten sonstigen Polizeiapparat antreten muss.
Das alles kommt etwas schwer in Gang und spielt fast gänzlich in der Nacht. Einen Kuss gibt’s immerhin zum Sonnenaufgang. Action wird eher spärlich gestreut. Bis Batman das erste Mal durch die Lüfte saust, vergehen 75 Minuten – bis das Batmobil eingesetzt wird, sogar 80. Aber da bleiben immer noch fast 100 in diesem etwas zu langen Film.
„The Batman“ erfindet das Genre nicht neu
„The Batman“ nimmt sich alle Zeit der Welt. Und zeigt einen Helden, der ein Gewaltproblem hat und weiter zuschlägt, wenn der Gegner längst am Boden liegt. Einer, der sich erst selbst bezwingen muss, um zum Vorbild und zum Hoffnungsträger zu werden. Am Ende aber steht er mit einem Leuchtfeuer im Wasser wie die Freiheitsstatue persönlich.
Damit erfindet „The Batman“ das Genre nicht neu, wie Nolan es einst getan hat. Er stellt auch nicht das eigene Universum auf den Kopf, wie Marvel im jüngsten „Spider-Man“-Film. Aber es gelingt doch eine würdige Fortsetzung, die die in ihrem Pathos erstarrenden Vorgänger mit Ben Affleck sofort vergessen lässt.
„The Batman“ 177 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy, Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen, Wandsbek