Hamburg. Die vermutlich beste Progmetal-Band der Welt begeisterte in der Barclays Arena. Die Preise für Fanartikel waren erstaunlich.

„Seid ihr alle müde oder warum sitzt ihr noch? Ich bin 58 Jahre alt und stehe...“ Mehr als diese Ansage von Tool-Sänger Maynard James Keenan braucht es nicht, damit das Publikum am Donnerstagabend in der nahezu ausverkauften Barclays Arena (auch der Innenraum ist bestuhlt) in Bewegung kommt. Konnte ja niemand wissen, dass die omnipräsente Security das zulässt, schließlich geht es ansonsten ziemlich streng zu beim Konzert der wahrscheinlich besten Progmetal-Band der Welt.

Auf Schildern und per Ansage wird im Vorfeld immer wieder auf das „absolute Fotografier- und Filmverbot“ hingewiesen. Wer dagegen verstoße, fliege raus, keine Gnade. Und tatsächlich ist die Dichte der alles beobachteten Ordner so hoch, dass – welch ungewohntes Bild – die Handys in der Tasche bleiben. Eine Tatsache, die ganz entscheidend zu diesem Konzerterlebnis beiträgt, denn Tool muss man nicht nur gehört, sondern auch mit eigenen Augen (und nicht durch ein Display) gesehen haben.

Tool in Hamburg: ein überwältigendes Feuerwerk

Die ersten 40 Minuten spielt das Quartett hinter einem riesigen transparenten Vorhang, auf den allerhand Psychedelisches projiziert wird: Mal sieht das aus wie eine zerlaufende Blumenblüte, mal wie ein Lavastrom, dann wieder scheinen grüne Raumschiffe in die Halle zu schweben und Laserstrahlen durchschneiden die Luft.

Ein überwältigendes visuelles Feuerwerk, das bereits als Alleinstellungsmerkmal taugen und den Ticketpreis (140 Euro vorne im Parkett) rechtfertigen würde, aber da ist ja noch die Musik. Und auch hier ist Tool unvergleichlich. Sicher, die Band kann allein durch Gitarrist Adam Jones und Bassist Justin Chancellor enorme Soundwände auffahren, aber es ist vor allem das so vielschichtige und bisweilen geradezu filigrane Schlagzeugspiel von Danny Carey, das Tool so unvergleichlich macht.

Tool verlangt 1000 Euro für ein signiertes Programmheft

In der Setlist dominieren die Nummern des aktuellen Albums „Fear Inoculum“, das auch am Merchstand erhältlich ist – unter anderem für 700 Euro (kein Witz!) in der signierten Vinylbox-Version. Altgediente Tool-Fans kennen das schon: Die US-Band geht da sehr eigene Wege. T-Shirts für 40 Euro liegen noch im oberen Normalbereich, aber sobald es etwas individueller wird, explodieren die Preise: 300 Euro für ein signiertes Plakat das Hamburger Konzerts, 1000 Euro für ein signiertes Programmheft. Zumindest in der Heimat der Band wird all das zu diesen Mondpreisen auch tatsächlich gekauft. Bei Ebay bringen Konzertposter schon mal mehr als das Dreifache, Tendenz steigend.

Nun ja, niemand muss das mitmachen, und was die Live-Show angeht, ist Tool über jeden Zweifel erhaben. Wie ein Uhrwerk läuft die Show ab – es gibt sogar eine exakt getimte zehnminütige Pause, während derer ein Countdown eingeblendet wird – und doch wirkt hier alles höchst organisch. Was den Headliner des Abends übrigens mit dem Support Brass Against verbindet.

Querschnitt der Bandgeschichte in der Barclays Arena

Die Band um die charismatische Sängerin Sophia Urista spielt Nummern von Alternative-Rockern wie Rage Against The Machine, Audioslave oder eben Tool in neuen Arrangements mit fünfköpfiger Bläsergruppe und holt sich in der Halle den verdienten Jubel ab. Am 14. Juni kommt Brass Against nach Hamburg zurück und tritt im Knust auf. Keinesfalls verpassen!

Doch hier, in der Barclays Arena gilt die Hauptaufmerksamkeit natürlich Tool, und die spielen sich – mit dem Schwerpunkt auf „Fear Inoculum“ (sechs Songs) – durch ihre komplette Bandgeschichte: Vom Debüt „Undertow“ (1993) gibt es „Sober“, von „Ænima“ (1996) sind „Pushit“ und „Hooker With A Penis“ dabei, „Lateralus“ (2001) ist mit „The Grudge“ vertreten und „10.000 Days“ (2006) mit „Right In Two“ sowie „The Pot“. Ein Höhepunkt: das psychedelische Percussion-Schlagzeug-Effektmaschinen-Solo „Chocolate Chip Trip“, mit dem es nach der Pause weiter geht. Funktioniert im Konzert tatsächlich genauso gut wie über Kopfhörer, was natürlich auch am exzellent ausgesteuerten Sound in der Halle liegt.

Nach brutto zwei Stunden und 25 Minuten kann dann tatsächlich nichts mehr kommen. Außer: das nächste Tool-Konzert. Auf dieser Tour in Frankfurt, Berlin, Antwerpen oder London, Orte, an die viele der Hardcore-Fans mitreisen. Und hoffentlich bald auch wieder in Hamburg