Hamburg. Zwei Jahre war es in Winterhude still. Nun feierten 1800 Fans mit der britischen Rockband – und verabschiedeten Taylor Hawkins.
Zwei Jahre lang gab es bis zum Auftritt von DSDS-Relikt Pietro Lombardi am Freitag keine Konzerte in der Sporthalle, aber davon merkt man am Sonntag beim Wiedersehen mit der britischen Rockband Skunk Anansie wenig: Die WCs versprühen den fragwürdigen Charme von Torfrocks Bagalutenwiehnacht, die Akustik ist mittel bis mäßig und Spuren der zurückliegenden jüngsten Sanierung sind nicht erkennbar. Auch die Unsitte, das Publikum nach der Vorband, den New Pagans aus Belfast, 45 Minuten warten zu lassen, darf gern hinterfragt werden. Aber man kann noch mal in sich gehen und sich daran erinnern, wie Skunk Anansie 1996 in der Sporthalle als Vorgruppe einen gewissen Lenny Kravitz an die Wand spielte.
Alles wie immer also, nur das Publikum ist übersichtlicher: 1800 Fans haben im Innenraum zwischen den abgehängten Sitzrängen viel Platz in der 7000er-Halle. Das ist wenig für vorpandemische Zeiten, die zuletzt am 7. März 2020 das Konzert der Austro-Rocker Wanda erlebten. Aber im Frühjahr 2022 sind 1800 Menschen in geschlossener Halle eine ganze Menge. Es herrschen 2G+-Regeln und permanente Maskenpflicht.
Skunk Anansie in der Sporthalle: Die 90er sind zurück
Auf der Bühne sind hingegen die 90er zurück, das Jahrzehnt, in dem Skunk Anansie und vor allem Frontfrau Skin mächtig Staub aufwirbelten. Mit „Yes It’s Fucking Political“, „And Here I Stand“, „Because Of You” und „I Can Dream” rollt gleich zu Beginn ein sattes Pfund über den Bühnenrand in den Saal. Skin, mit ihrem Kopfputz an eine Mischung aus Medusa und Jay Kay von Jamiroquai erinnernd, ist auch 27 Jahre nach dem Debütalbum „Paranoid & Sunburnt“ nicht zu bremsen. Immer wieder ein Erlebnis, wie viel Energie und Wut, aber auch Zerbrechlichkeit sie im Gedonner ihrer Kollegen Martin „Ace“ Kent (Gitarre), Richard „Cass“ Lewis (Bass) und Mark Richardson (Schlagzeug) sie ausstrahlt. An den Keyboards und als zweite Sängerin ist Richardsons Frau Erika Footman eine willkommene Ergänzung.
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Nicht wenige Fans sind mit Skunk Anansie durch viele Jahre gegangen, sie kennen Hits wie „Weak“ und „Twisted (Everybody Hurts)“ sicher auswendig. Hören tut man das kaum an diesem Abend. Skins Aufforderungen zum Mitsingen verhallen, weil man maskiert entweder nicht mitsingen will – oder kann: Nach einem Refrain bleibt die Puste aus. Skin muss sich um so mehr reinhängen: „Kann ich ein Wasser haben? Meine Stimme geht den Bach runter“, bittet sie zwischendurch. Und sie freut sich über kleinere Pogo-Knäuel in den vorderen Reihen, so etwas hat man auch schon lange nicht mehr gesehen.
Gedenken an Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins
Nach einer Stunde sitzen Sound und Groove, „Without You“ und das den Menschen in der Ukraine und in Syrien gewidmete „This Means War“ lassen das sanierte Dach wackeln. Vielleicht sind die großen Zeiten der Band nach der Trennung 2001 und der Reunion 2009 nebst drei unter dem Radar gebliebenen Alben vorbei, aber live ist Skunk Anansie immer noch eine Band von Format, die sich durchaus mit den Foo Fighters messen kann.
In Erinnerung an den am Freitag gestorbenen Foo-Fighters-Schlagzeuger Taylor Hawkins wird der Abend nach 90 Minuten mit dem Cover „All My Life“, das in „The Skank Heads (Get Off Me)“ übergeht, abgeschlossen. Raus geht es an die frische Luft. Mit durchgepusteten Ohren.