Hamburg. Das Streich-Ensemble Mriya besteht auch aus geflüchteten Profimusikerinnen. Warum nur wenige Menschen den Großen Saal besuchten.

Alles kam plötzlich, spontan und unvorbereitet. Ukrainische Musikerinnen, die schon länger in Deutschland leben, studieren, Konzerte geben und CDs veröffentlichen, haben mit geflüchteten Profimusikerinnen aus der Ukraine ein Streichorchester gegründet.

Sein Debütkonzert gab das Ensemble Mriya am Donnerstag im Großen Saal der Laeiszhalle. „Das Orchester im Exil“, so sagte der ukrainische Cellist Lev Kucher in einer kurzen Ansprache, „wurde ganz kurzfristig ins Leben gerufen. Und erst vor zehn Tagen haben wir vom Veranstalter Elbphilharmonie/Laeiszhalle den Termin für unseren heutigen Auftritt genannt bekommen.“

Exil-Orchester Mriya gibt Debütkonzert in der Laeiszhalle

Treibende Kraft war bei der Gründung des Orchesters die Bratschistin Kateryna Suprun, die an diesem Abend auch als Solistin auftrat und zuvor schon die ersten geflüchteten Profimusikerinnen für die Gründung eines Streichquartetts hatte überzeugen können. Unterstützt wird die Initiative vom 2018 in Bremen gegründeten Verein Culture Connects e.V. unter der Leitung von Roman Ohem, der mit Hilfe der von Lev Kucher geführten Listen geflüchteter Musikerinnen aus der Ukraine die Hilfsplattform Mriya.de gründete und am 30. März 2022 damit online ging. Ohem, der sich auch an der Organisation des Laeiszhallen-Konzerts aktiv beteiligte, hilft über die Plattform Geflüchteten bei der Vermittlung von Musikunterricht und Auftrittsmöglichkeiten.

Die Kurzfristigkeit, mit der das Konzert des Ensembles Mriya auf die Beine gestellt wurde, hatte zur Folge, dass nur wenige Menschen den Großen Saal der Laeiszhalle am Donnerstag besucht haben. Überwiegend waren es Ukrainerinnen und Ukrainer, von denen manche die ukrainische Flagge dabei hatten und über die Brüstung des ersten Ranges legten. Was wir vom Orchester dann zu hören bekamen, war phänomenal.

Unter den ukrainischen Musikern auch internationale Preisträger

Man spürte schon bei den ersten Tönen von Edgar Elgars Serenade für Streichorchester e-Moll op. 20, dass dieses Ensemble aus exzellent ausgebildeten und erfahrenen Profis besteht. Allein die Konzertmeisterin Hanna Tsurkan, die in der Karpatská Rapsodie des ukrainischen Komponisten Myroslaw Skoryk das Violinsolo spielte, ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe und Mitglied des Nationalen Sinfonieorchesters der Ukraine aus Kiew.

Auch die junge Geigerin Varvara Vasylieva, die infolge ihrer Flucht ihr Studium bei Olga Rivnyak an der Nationalen Musikakademie der Ukraine unterbrechen musste, dürfte eine große internationale Karriere vor sich haben. Einen besonderen Eindruck hinterließ aber auch Daria Tarasova, die 1994 auf der Krim geboren wurde und in der Laeiszhalle Bachs Violinkonzert a-Moll BWV 1041 mit einer Klangkultur spielte, wie wir sie von Spitzengeigern wie Gidon Kremer zu hören gewöhnt sind.

Bei den vielen Stücken ihrer Landsleute wie dem Buvay mi Zdorova (Batiars Lied) des in Kiew geborenen Yurih Shevchenko oder der Berglegende von Yurih Shevchenko mit Kateryna Suprun als Solistin spürte man die Sehnsucht und das Leid der Musikerinnen, die fern der Heimat an das Leid in der Ukraine denken mussten