Hamburg. Der neue Roman der Bestsellerautorin ist frisch raus. Die Show zum Buch stellte die Hamburgerin in einer Generalprobe auf dem Kiez vor.

Zu den Pointer Sisters auf die Bühne zu hüpfen? Das ist mal ne Setzung für eine Literaturveranstaltung. Apropos, bösere Menschen als der Verfasser dieser Zeilen würden das, was Ildikó von Kürthy macht, niemals als Literatur bezeichnen.

Aber das sind Ignoranten: Die Hamburger Bestsellerautorin („Mondscheintarif“, „Freizeichen“) ist die weithin anerkannte Fachkraft für feminine Seelenkunde und schwerelose Prosa (Motto: das Leichte im Schweren, das Seichte mehren), und sie ist, fraglos, eine Frau mit Witz.

Ildikó von Kürthys „Morgen kann kommen“ im Schmidtchen

Also, die Pointer Sisters. Und noch viel mehr Popmusik, mal ganz aus der Konserve, mal als Karaoke geträllert von der wunderbar stimmlich im Normalbereich befindlichen Kürthy. Dazu absolut Oldie-taugliches Discogehüpfe und ein Zwei-Personen-Kammerspiel, das die Handlung des neuen Romans „Morgen kann kommen“ zu einer flotten Bühnenversion eindampfte – das war der Abend im Schmidtchen.

Wenn man richtig gezählt hat, ist „Morgen kann kommen“ der mittlerweile zehnte Roman Ildikó von Kürthys, er wird selbstverständlich ein Hit werden und ist voll und ganz ans weibliche Publikum adressiert. Sein Themenfeld liegt zwischen den Koordinaten Wechseljahre, Östrogen und Hormonveränderung, und dazu muss man wissen: die Zielgruppe bestand zumindest an diesem Abend auch aus Männern. Das Schmidtchen war zwar eine geschlossene Gesellschaft, aber zu Friends & Family gehören beide Geschlechter.

Ildikó von Kürthys: Auch Männer lachen über ihre Powerprosa

Und siehe da, der Beweis wurde erbracht, dass auch Männer über Ildikó von Kürthys weibliche Powerprosa lachen können. Was vor ein paar Jahren beim Vorgängerbuch „Es wird Zeit“ gut funktionierte, wird nun wieder ins Werk gesetzt: Mit einer Show zum Buch geht die Autorin zusammen mit der Schauspielerin Saskia Fischer („Großstadtrevier“) auf Tour. Der Abend auf der Reeperbahn war als Generalprobe annonciert, bevor Kürthy im Mai unter anderem im Ernst Deutsch Theater mit ihrem neuen Programm auftritt.

Schreit denn der Stoff nach einer theatralischen Umsetzung? Sagen wir so, leise ist er nicht gerade, wo er – wie das Buch vorher übrigens auch, aber so ein Thema erschöpft sich eben nie – die Sinnkrisen von Frauen um die 50 behandelt (charakteristischster Satz diesmal: „Das weibliche Hormonsystem ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“) und dabei Pointen raushaut, als wäre jede Seite die Kolumne einer Frauenzeitschrift. Insofern also ja – ein Dialogfeuerwerk kann man aus „Morgen kann kommen“ leicht machen und dieses auf eine einfach gehaltene Bühne verlegen.

Kürthy-Programm ist ein Pep Talk für in die Jahre kommende Frauen

Es sind die zwei ungleichen Schwestern Ruth, im Schmidtchen interpretiert von Saskia Fischer, und Gloria, dargestellt von ihrer Erfinderin Kürthy, die sich nach 15-jähriger Entzweiung wieder zusammenfinden. Glorreich nonkonform war Gloria immer, weniger glorreich ist dagegen Ruths notorisch brave Unterordnung im Hinblick auf ihren selbstverliebten, höchstgradig defizitären („Er schnarcht so viel und spricht so wenig“) und überdies untreuen Ehemann.

Im Klappentext des Buchs ist unvermeidlich von „zerstörerischen Beziehungen“ die Rede; man ist dann aber doch froh, dass nicht die berühmte „toxische Männlichkeit“ herbeizitiert wird. So oder so ist die temporeiche Darbietung im Schmidtchen noch mal deutlich heller und fröhlicher geraten. Sie entspricht etwa dem pinkoptimistischen Cover des Buchs. Das Kürthy-Programm ist ein fortlaufender Pep Talk für in die Jahre kommende Frauen: Du! Kannst! Noch! Mal! Neu! Anfangen! Verlass dafür aber erst mal den eitlen Trottel, der glaubt, die Welt drehe sich nur um ihn.

Kürthy hat sichtbar Freude an ihrem Text

Unbedingt sympathisch ist, dass Kürthy sichtbar Freude an ihrem Text hat und auch an allen Showelementen. Im Repertoire hat sie alles. Die Komik-Abstauber, wenn sie unoriginell über Männer lästert. Den beinah hintergründigen Witz, wenn sie die weibliche Selbstzerquälung („Warum hat Heidi Klum keine Cellulitis?“) aufs Tapet bringt – ist sie nicht eigentlich genauso jämmerlich wie er? Nicht zu leugnende Wahrheiten („‚Besserwisser‘ und ‚Tyrann‘ sind Worte, die man wirklich nicht gendern muss“) und hübsche Formulierungen à la „Das ohrenbetäubende Rauschen der Gewohnheit“).

Kürthys Buch ist tautologisch, indem es dieselbe Aussage über Frauen, die unter ihren Männern leidet, ein ums andere Mal wiederholt; die Gäste im Schmidtchen waren davon aber nie gelangweilt.

Kürthys Buch-Show im Schmidtchen: Am Ende legt sie Wäsche zusammen

Die ästhetische Zurückhaltung von Kürthys Unterhaltungsromane macht diese zu flüchtigen literarischen Angelegenheiten. Aber ist es nicht so, dass Kürthy dennoch Bücher schreibt, über die sich ihre Leserinnen trefflich austauschen können? Das ist nicht wenig, wenn Figuren offensichtlich als Identifikationsmodelle taugen. Und richtig ist es, die ins Barrierelose gewendete Erzählung von Frauen, die in der zweiten Lebenshälfte Berge der Unzufriedenheit erklimmen müssen, um sich doch noch selbst zu finden, in eine Nummernrevue zu verwandeln.

Am Ende legen die beiden Frauen auf der Bühne tänzelnd Wäsche zusammen. Als Metapher für ein Rollenverständnis, das Altbackenheit mit guter Laune abfedert, gefällt das sicher nicht jeder. Aber als Statusmeldung der selbstironischen Frau ist das Schlussbild der kleinen Show zum Buch doch durchaus gelungen.