Hamburg . Dem Berliner Musiker und Ex-Freundeskreis-Mann gingen in der Laeiszhalle die Songs aus. Doch er wusste sich zu helfen.

Für Max Herre sind Hamburg-Konzerte eigentlich immer ein Heimspiel. Das war schon vor mehr als 20 Jahren so, als er mit seiner Band Freundeskreis im ausverkauften Stadtpark auftrat. Bei seinem Konzert mit Mikis Takeover! Ensemble ist die Laeiszhalle nicht ganz ausverkauft, aber das hat wohl weniger mit Herres Popularität zu tun als mit den Nachwehen der Corona-Pandemie.

Im Saal herrscht strikte Maskenpflicht. Als er vor der Pause des zweistündigen Konzertes „Tabula Rasa“, einen der großen Hits des Freundeskreis-Kollektivs anstimmt, fällt der Beifall riesig aus. Die zahlreichen Zuhörer der Generation Y, geboren 1980 und später, erweisen sich als textsicherer Chor.

Wichtige Songs aus Teenager-Zeiten bleiben im Gedächtnis haften. Was sich im weiteren Verlauf des Abends noch bei weiteren Nummern zeigt.

Max Herre in Hamburg: Siebenköpfiges Ensemble begleitet ihn

Seine Stuttgarter Hip-Hop-Clique hat Herre lange hinter sich gelassen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist aus dem seit langem in Berlin lebenden Rapper ein Produzent und Künstler geworden, der musikalisch immer wieder neue Wege beschreitet, dabei aber nie seine Lässigkeit verloren hat. Bei dem aktuellen Projekt mit dem siebenköpfigen Ensemble von Miki Kekenj kreiert der Geiger neue Arrangements für die Lieder von Herre.

„Hip-Hop meets Classic“ wäre ein möglicher Slogan für diese Zusammenarbeit, doch so eine Formel griffe viel zu kurz für diese vielschichtige Auseinandersetzung mit Herres Textgebirgen. Kekenj und Band bewahren die melodischen Aspekte der Songs und geben ihnen durch kurze Soli und instrumentale Parts noch mehr Tiefe.

Herre geht auch auf den Krieg in der Ukraine ein

Die Texte von Herre zeichnen eine große Ernsthaftigkeit aus. Bei „Berlin - Tel Aviv“ vom Album „Hallo Welt“ lässt er sich von seiner jüdischen Familiengeschichte inspirieren und verschränkt die Geschichte eines fiktiven Mädchens mit Versatzstücken seiner eigenen Familiengeschichte. Das Wort „Stern“ bekommt darin eine erschreckende Doppeldeutigkeit.

Auch auf den aktuellen Krieg in der Ukraine geht Herre bei seinen Moderationen ein und erwähnt dabei einen Umstand, der in den Medien kaum Aufmerksamkeit bekommt. 20 Prozent der Studenten in der Ukraine stammen aus Afrika, berichtet der Künstler, und sie haben aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Papiere Probleme, in Polen sicheren Raum zu erreichen. „Sans Papiers“ heißt der Song aus seinem aktuellen Album „Athen“. „Ich habe keinen Namen, nennt mich Sans Papiers“, singt er in dem erschütternden Lied über das Elend von Flüchtlingen ohne Papiere.

Max Herre in der Laeiszhalle: „Hamburg, auf euch ist Verlass“

Seine Duett-Partnerin ist Ray Lozano. Die Kölnerin hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als stimmgewaltige Background-Sängerin verschiedener deutscher Künstler gemacht, unter anderem sang sie in der Band von Herres Frau Joy Denalane. Sie ist für den Soul in den Duetten verantwortlich, während Herre in bester Hip-Hop-Manier einen fließenden Sprechgesang pflegt. Das Auditorium hängt an seinen Lippen und gerät besonders aus dem Häuschen, wenn alte Freundeskreis-Nummern erklingen. „Esperanto“ haben Kerenj und Herre ebenso bearbeitet wie „A.N.N.A.“, den größten Hit der FK-Truppe, der in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert.

„Hamburg, auf euch ist Verlass“, sagt Herre am Ende des Konzertes. Er lässt sich zweimal aus der Garderobe zurück auf die Bühne klatschen, um dann „Das Wenigste“, ein melancholisches Lied aus der Perspektive eines Musikers, als Zugabe zu singen. Aber „Hamburg“ kann nicht genug von dieser Hip-Hop-Klassik bekommen und klatscht und klatscht und klatscht. Das Repertoire ist zwar erschöpft, aber „A.N.N.A.“ geht immer. Also singen Herre und das begeisterte Publikum zum Abschluss noch einmal den Refrain, der mit den Worten „Immer, wenn es regnet“ beginnt. Herre in Hamburg – wieder mal ein Heimspiel.