Hamburg. Das Ensemble Resonanz erkundet in Hamburg Bach und das Wesen der Trauer auf ganz neue Weise – mit den Mitteln der Rockmusik.
Wie können wir Musik lebendig machen? So dass sie uns wirklich berührt, selbst wenn sie schon einige hundert Jahre alt ist? Auf diese Frage liefert das Ensemble Resonanz radikalere Antworten als viele andere. Auch und gerade mit seinem Blick auf Bachs Johannes-Passion. Die bewusst unhistorische Aufführung im Kleinen Saal der Laeiszhalle nutzt moderne und auch elektronisch verstärkte Instrumente; die Vokalstimmen sind nur mit fünf Solisten besetzt.
Plus die Orchestermitglieder, die sich manchmal in den Gesang einmischen. Wie im Eingangschor, dessen Ausruf „Herr!“ so eine besondere Dringlichkeit bekommt und das Werk aus der Sphäre von Kunst und Religion ins Hier und Jetzt holt. Die emotionale Botschaft ist klar: Diese Passions-Geschichte über das Leiden eines jungen Mannes, der sich für die Menschen opfert, geht uns alle an.
Konzertkritik: Ensemble Resonanz zeigt Mut
Der Mut, das Vertraute zu befremden und dadurch noch einmal auf neue Weise nahbar zu machen, spiegelt sich auch in den Farben des Orchesters. Das Ensemble Resonanz verzichtet auf Holzbläser und erweitert das Spektrum stattdessen mit seinen Gästen um Trompete, Banjo, elektronisches Continuo und E-Gitarre.
Gerade die Verbindung von E-Gitarre mit Cello und Kontrabass gibt dem Sound eine dunkle und schwere Grundierung. Dagegen lockert das Banjo den düsteren Ton auf und bringt einen volkstümlichen Charakter ins Spiel. Das ist überraschend und stimmig zugleich, etwa bei der Arie „Ich folge Dir gleichfalls“, wirkt allerdings beim meditativen Arioso „Betrachte, meine Seel‘“ auch eine Spur penetrant.
Liebe zur Musik ist immer zu spüren
Die Choräle sind dagegen wunderbar schlicht gehalten. Manchmal nur von Streichern gesungen, mal vom Sopran, mit akustischer Gitarre begleitet, oder a cappella. Wie sensibel die Musikerinnen und Musiker aufeinander hören, wie sie gemeinsam in die Affekte von Schmerz, Trauer und Trost eintauchen: das zeigt den berückenden Ensemblegeist, der die Aufführung prägt, aber auch eine tiefe Hingabe.
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Die große Liebe zur Musik ist immer zu spüren – selbst dann, wenn der rhythmische Drive des Stücks „Lasset uns den nicht zerteilen“ ironisch mit einem „Zwo, Drei“ angezählt wird. Der Streit der Kriegsknechte, die um den Rock des gekreuzigten Jesus zocken, als fetziges Virtuosenstück, transparent und mitreißend gespielt. Die Söldner feiern Party.
Konzertkritik: Tod Jesu erschütternd vergegenwärtigt
Umso krasser dann das Innehalten, als Jesus gestorben ist. Nach den Worten „Und neigte das Haupt und verschied“ verweigern die Interpreten die anschließende Kadenz. Stattdessen Stille, Verharren, die Köpfe leicht gesenkt. Eine ganze Minute lang. Anrührender, erschütternder kann man den Tod Jesu, aber auch die emotionale Kraft von Bachs Musik kaum vergegenwärtigen.