Hamburg. Ayla Yeginer inszeniert den Roman „Kleiner Mann - was nun?“ im Ohnsorg-Studio auf Hoch- und Plattdeutsch. Neue Töne auch dank Musik.

Krisen, ob nun privater, nationaler oder globaler Natur, schreiben oft traurige, manchmal auch kuriose Geschichten. Hans Fallada wusste das. Der aus Vorpommern stammende Schriftsteller prägte mit seinem nüchternen Stil, mit illusionslosen und anschaulichen Milieustudien die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik mit.

Die Corona-Krise mit ihrem hierzulande ersten pandemiebedingten Lockdown ab Mitte März 2020 sorgte dafür, dass Falladas Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“ jetzt mit zwei Jahren Verspätung als Bühnenfassung im Ohnsorg-Studio Premiere hatte - rechtzeitig zum 90. Jubiläum der Veröffentlichung des Romans.

Theaterkritik: Geschichte wirkt noch aktuell

1932 hatte er den Nerv der Zeit getroffen, auch heute wirkt die Geschichte vom Abstieg eines kleinen Angestellten und seiner jungen Ehefrau mit gemeinsamen Söhnchen in der Weltwirtschaftskrise wieder aktuell. Was sich hier, im kleinen Saal des Ohnsorg-Theaters abspielt, ist eine zeitgenössische Adaption mit klarer Handschrift in der Regie. Ayla Yeginer lässt in ihrer Inszenierung beim Comeback am Heidi-Kabel-Platz bei aller Tragik immer auch Raum für Situationskomik, erreicht so die Herzen des bei der Premiere vollends begeisterten Publikums.

Dazu trägt das vierköpfige Ensemble seinen Gutteil bei. Jannik Nowak, der recht kurzfristig engagierte einzige neue Schauspieler in dem 2020 bis zur Generalprobe einstudierten Stück, zeichnet seine (Haupt-)Figur des Johannes Pinneberg präzise und einfühlsam. Sorge, pure Verzweiflung spiegelt sich in seinem Blick, weil das Geld für die junge Familie hinten und vorne nicht reicht. Egal ob er nun als Buchhalter einer Düngerfabrik oder später dank Beziehungen als Verkäufer bei einem jüdischen Herrenausstatter arbeitet – die Angst des kleinen Mannes vorm Abstieg drückt sich im wiederholt deklamierten Satz „Bloß nicht arbeitslos werden“ aus.

Modellkastenkulisse schafft Durchlässigkeit

Jeweils auf Hochdeutsch und auf Plattdeutsch, wobei Erstgenanntes bewusst für die bedrohliche Außenwelt steht, die Regionalsprache hingegen fürs Vertraute. Pinneberg spricht Platt mit Ehefrau Emma, liebevoll „Lämmchen“ genannt. Julia Kemp gewinnt als zunächst sanfte, später zupackende junge Mutter in ihrer Rolle mehr und mehr Statur. Und wenn sie mit einer Lampe in der Hand das Licht an- und ausknipst, sind das nur einige der berührenden Elemente.

Zusätzliche Durchlässigkeit im wahrsten Sinne schafft die breite, aus hellen Holzelementen bestehende Modellkastenkulisse von Ausstatterin Telse Hand, mit der Yeginer bereits im ehemaligen Theater Kontraste in Winterhude erfolgreich zusammengearbeitet hatte. In diesem durchaus modernen Bühnenbild zwängt sich das junge Ehepaar auf der Suche nach Wohnraum mehrfach in kleine Module, igelt sich regelrecht ein.

Theaterkritik: Lübbe sorgt für komische Momente

Einen schönen Kontrast dazu bilden die anderen beiden Schauspieler in ihren olivgrünen Anzügen mit Schulterklappen und in diversen Rollen: Rabea Lübbe überzeugt nicht zum ersten Mal im Ohnsorg mit enormer Körperlichkeit, wenn sie sich etwa kopfüber in ein Wohnloch der Pinnebergs hangelt.

Als Johannes ungeliebte Mutter sorgt sie - stets mit Zigarettenspitze im Mundwinkel - in einer Diktion a la Helmut Schmidt für weitere komische, ja groteske Momente. Das gelingt Jochen Klüßendorf ebenso in weiblichen Figuren. Der Schauspieler hat für „Kleiner Mann - was nun?“ zudem eigens Lieder und Klangcollagen komponiert, die er mit Lübbe live am Bühnenrand spielt. Alles sehr zeitgemäß. Merke: Nicht allein die Liebe zählt.

„Kleiner Mann - was nun?“ wieder Di 12.4., 19.00, bis 29.5., Ohnsorg-Studio, Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 27,-: T. 35 08 03 21, www.ohnsorg.de