Hamburg. Der oscarprämierte Thriller wird in Horn auf die Bühne gebracht. Die Spannung lässt im Laufe des Abends nach – Blut fließt trotzdem.

Paul hat Glück im Unglück. Der Erfolgsautor verursacht im Schneesturm einen Autounfall und liegt hilflos im Wrack, gerettet wird er von der ehemaligen Krankenschwester Annie, die ihn in ihrem einsamen Anwesen gesund pflegt. Eigentlich sollte er ins Krankenhaus, aber die Straßen scheinen immer noch unterbrochen. Doch Annie kümmert sich liebevoll, und außerdem ist sie ein glühender Fan von Pauls Kitschromanreihe „Misery“. Als sie allerdings erfährt, dass der Autor die Reihe beendet hat, erweist sich Annie als weniger freundlich …

Stephen Kings 1987 erschienener Roman „Sie“ wurde von William Goldman unter dem Titel „Misery“ erfolgreich für Leinwand und Bühne adaptiert, aktuell ist seine Fassung im Kleinen Hoftheater in Horn zu sehen. Der Grund für den Erfolg des Stücks liegt auf der Hand: „Misery“ ist ein Kammerspiel, der Horror findet weniger in ausufernder Action statt als in den Dialogen sowie im Kopf des Zuschauers, der langsam ahnt, dass mit Annies Aufopferungsbereitschaft etwas nicht stimmt.

„Misery“ am Kleinen Hoftheater: Spannung lässt nach

Allerdings bürdet das Stück Darstellerin Susi Banzhaf auch einiges auf: Ihr Sparringspartner Gerald Leiß liegt die meiste Zeit sediert im Bett, sie muss quasi im Alleingang die Illusion der hilfsbereiten Retterin aufrechterhalten und dosiert kleine Irritationen einbauen.

Unter Petra Behrsings Regie macht Banzhaf das geschickt. Ihre Annie ist eine nette, etwas schrullige, ältere Dame, bei der man ziemlich lange nicht weiß, ob ihre kleinen Bösartigkeiten vielleicht nur verklemmte Scherze sind. Ja, der Patient bekommt seine Schmerzmittel eine Weile nicht, aber es gibt Schlimmeres, zumal sie ihn zunächst nur zappeln lässt. Und als sie ihn am Bett fixiert, hat das auch etwas von einer unsicheren Annäherung. Oder?

„Misery“: Zurückhaltende Inszenierung – Blut fließt trotzdem

Im zweiten Teil des Abends lässt die Spannung etwas nach. Man hat verstanden: Annie ist kein rettender Engel, sondern eine Stalkerin an der Grenze zum Irrsinn, und wo der Roman (sowie dessen oscarprämierte Verfilmung, auf die sich die Inszenierung stark bezieht) zum wüsten Splatter wird, bleibt Behrsings Inszenierung zurückhaltend.

Freilich gönnt sie sich einen geschickten Kunstgriff: Das Geschehen außerhalb von Pauls Krankenzimmer wird als Videoeinspielung gezeigt, und zumindest da darf dann auch ein wenig Blut fließen.

„Misery“, bis 8. Mai, Fr/Sa 19.30 Uhr, So 16 Uhr, außerdem 28. April und 5. Mai, 19.30, Das Kleine Hoftheater, Bei der Martinskirche 2, Tickets unter T. 681572, www.hoftheater.de