Hamburg. Obskure Monsterfiguren und Rituale: Das Ausflugstheater „Seele essen Angst auf“ führt aus Hamburg heraus und geht ans Eingemachte.

Irgendwo zwischen Norderstedt und Quickborn biegt der Bus auf einen Feldweg ab, schaltet die Lichter aus und schiebt sich langsam durch die Dämmerung. Und da bekommt man es dann wirklich mit der Angst zu tun.

Dabei ist der Beginn von „Seele essen Angst auf“, einer gemeinsamen Produktion vom hessisch-hamburgischen Theaterduo SKART und dem Frankfurter Kollektiv Mobile Albania, noch harmlos: Auf Kampnagel wird man in einen unspektakulären HVV-Bus verfrachtet, es geht nach Norden, und ein jovialer Reiseleiter klärt einen über Sehenswürdigkeiten auf: rechts die „Schule der Überforderung“ (Schule Forsmannstraße), links ein Wohnviertel namens „Früher waren wir eine glückliche Familie“ (Alsterdorf), und auch als in den ausgefransten Randbezirken der Stadt nach und nach obskure Monsterfiguren zusteigen, ist man noch eher unterhalten als beunruhigt.

Ausflugstheater auf Kampnagel: Eine stumme Gestalt lockt ins Dunkle

Das ist Ausflugstheater, wie man es von Mobile Albania kennt, freundlich, aber wenig verstörend. Doch als man dann im Wald steht und von einer stummen Gestalt ins Dunkle gelockt wird, spürt man: Das geht jetzt wirklich ans Eingemachte.

Man betritt eine Lichtung, wo ein Ritual abgehalten wird. Die eigenen, tiefen Ängste werden in eine ganz eigene Spielart des Figurentheaters transformiert, schließlich geht es an einen Schießstand, wo man auf die so konkret gewordenen Traumata feuern darf. Und, falls man getroffen hat, einen Kuchen überreicht bekommt: die persönliche Angst darf verschlungen und verdaut werden. Guten Appetit! Spannend ist aber, dass man sich tatsächlich entlastet fühlt, nachdem man den Stücktitel „Seele essen Angst auf“ so wörtlich genommen hat.

„Seele essen Angst auf“ auf Kampnagel: großes Theaterglück

So entlastet, dass man beinahe übersieht, wie raffiniert der als Koproduktion mit den Stadttheatern Gießen und Münster entstandene Abend auch als Theater gebaut ist.

Wie hochkreativ hier mit Elementen von Puppentheater, immersiven Formen und Ritualen gearbeitet wird, wie tief in die Psyche eingedrungen wird, nicht zuletzt, wie geschickt eine Narration aufgebaut wird, die das Publikum selbst durch seine individuellen Ängste konstruiert. Ein spannender Ausflug? Schon. Ein großes Theaterglück? Auf jeden Fall.