Hamburg. Gustav Peter Wöhler überzeugt als „Professor Mamlock“ am Hamburger Sprechwerk. Das Aufklärungsdrama hat eine deutliche Botschaft.
Schamlos die einen, wehrlos die anderen. Man könne „diese Bande“ nicht „beschmusen“, heißt es hellsichtig an einer Stelle über die immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten, „sondern nur vernichten“. Da wird es ganz still im Theatersaal des Hamburger Sprechwerks.
Und bleibt auch so bei einem der nächsten Sätze: „Sie machen auch vor Frauen und Kindern nicht halt.“ Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie lässt sich spiegeln, setzt sich fort. Und was man da zu sehen bekommt, ist erschreckend und beschämend für eine Gesellschaft, die sich fragen (lassen) muss, wie lernfähig sie eigentlich ist.
Hamburger Sprechwerk: „Professor Mamlock“ ist im Exil entstanden
Der selbst von den Nazis verfolgte und als „gemeingefährlichster Vertreter des ostjüdischen Bolschewismus“ beschimpfte Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf (übrigens Vater des Regisseurs Konrad Wolf und des späteren DDR-Spionagechefs Markus Wolf) hat das Stück „Professor Mamlock“ 1933 im Exil geschrieben.
Ein Text, der ganz aus seiner Zeit heraus wirken könnte: Anhand eines Familienschicksals beschreibt Wolf schon früh die perfide Verführbarkeit, das achselzuckende Mitläufertum und insbesondere die gefährliche Verdrängung der sich rasant zuspitzenden Realität: Der angesehene jüdische Klinikchef Mamlock (stark: Gustav Peter Wöhler) verkennt die politische Lage selbst dann noch, als man ihn aus seiner Klinik wirft und ihm das Haus beschmiert, als die Tochter verfolgt wird und der im kommunistischen Widerstand engagierte Sohn (Christoph Plöhn) untertaucht.
Verhandelte wird schaurig allgemeingültig
Aron H. Matthiassons Sprechwerk-Inszenierung, die nach einer ersten Streaming-Premiere im Corona-Lockdown nun erstmals vor Publikum gespielt wird, begnügt sich nicht mit der historischen Geschichte. Sie zeigt – nicht platt, aber wirkmächtig – die direkten Linien zur Gegenwart auf, etwa durch die Verschränkung mit einem Protokoll des Anschlags auf die Synagoge in Halle 2019.
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Routinierte Betroffenheit über die Vergangenheit ist so gar nicht erst möglich, das Verhandelte wird schaurig allgemeingültig: die infame Überheblichkeit, die hingenommenen Lügen, die zutiefst antisemitische Schmähung des „Intellektuellen“ (in der man auch die heutige Verachtung für eine „Elite“ wiedererkennen kann) und, ganz grundsätzlich, die Ungeniertheit des Bösen.
Theaterkritik: „Professor Mamlock“ passgenau besetzt
„Professor Mamlock“ ist ein auf allen Positionen passgenau besetztes (neben Wöhler überzeugen u.a. Jasmin Buterfas, Maria Hartmann und Holger Umbreit als zum Frösteln heimtückischer NS-Karrierist) und klar gespieltes Aufklärungsdrama mit einer deutlichen Botschaft: Aufmerksamkeit und Bereitschaft zum Widerstehen. „Es gebe „kein größeres Verbrechen“ als nicht kämpfen zu wollen, „wo man kämpfen muss“.
„Professor Mamlock“ im Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23, wieder am Sa 27.3., 20 Uhr, So 3.4., 18 Uhr, Karten zu 23,80 Euro unter T. 24 42 39 30 oder online unter sprechwerk.loveyourartist.store/