Hamburg. Sir András Schiff spielte kurzfristig Soloprogramm in der Elbphilharmonie. Warum aus dem Duo-Abend mit Evgeny Kissin nichts wurde.
Der Blick auf die Bühne verheißt zunächst einmal nichts Gutes: Wo zwei Steinway-Flügel stehen sollten, steht am Sonntagabend im Großen Saal der Elbphilharmonie nur einer. Und als ProArte-Geschäftsführer Burkhard Glashoff auf die Bühne tritt, bestätigt sich: Aus dem Duo-Abend mit Evgeny Kissin und Sir András Schiff wird nichts. Kissin wurde am Nachmittag positiv auf das Coronavirus getestet und ist in Hotel-Quarantäne.
Elbphilharmonie: Evengy Kissin in Hotel-Quarantäne
Glück im Unglück, dass Schiff sich trotz zweier gemeinsamer Probetage nicht angesteckt hat und in der Lage ist, ein Solo-Recital zu geben. Das geplante vierhändige Programm mit Werken von Mozart, Schumann, Smetana und Dvořák ist nun zwar Makulatur, aber aus seiner kiloschweren Notentasche hat der Ungar eine Menge Ersatz zu Tage gefördert, der weit mehr ist als das. „Verzeihen Sie, wenn ich Sie jetzt enttäusche, aber ich werde mein Bestes tun“, erklärt er mit demütigem Understatement und fährt fort: „Die Qualität der Kompositionen wird sehr gut sein, die Interpretation ist vielleicht Geschmackssache.“ Spätestens da hat er das lachend klatschende Publikum ganz auf seiner Seite.
Um Bach und Mozart geht es im ersten Teil des Konzerts, darum, was die beiden verbindet, was Mozart von Bach gelernt hat. Und dann illustriert Schiff das mit einer kurzen Tonfolge aus dem „Musikalischen Opfer“ (Bach, komponiert 1747) und der „Fantasie Nr. 4 C-Moll“ (Mozart, komponiert 1785). Eine erstaunliche Übereinstimmung, die heutzutage wohl eine Plagiatsklage nach sich ziehen würde.
András Schiff: Das Leben ist zu kurz, um schlechte Musik zu hören
Das Leben sei zu kurz, um schlechte Musik zu hören, sagt Schiff – und spielt also „gute Musik“. Mit einer Mischung aus Noblesse und Sinnlichkeit, die alles drumherum vergessen lässt. Welche Kraft der Musik innewohnt, wie viel sich aus ihr schöpfen lässt, das ist bei diesem Wechselspiel aus oft gehörten, aber selten so kombinierten Bach- und Mozart-Werken in jeder Sekunde spürbar. Seine Tage beginne er, indem er „als eine Art seelische Hygiene“ ein bis zwei Stunden Bach spiele, hatte Schiff vorab erklärt, und tatsächlich wirken die knapp 70 Bach-Mozart-Minuten bis zur Pause geradezu entschlackend. Wie gut das speziell in diesen Zeiten tut.
Den zweiten Teil des Abends widmet er dann Joseph Haydn, den der 68-Jährige für einen der am stärksten unterschätzen Komponisten hält. „Meine Mission ist es, das zu ändern.“ Und so sind bei ihm die Klaviersonaten c-Moll Hob. XVI:20 und Es-Dur Hob. XVI:52 ein vollkommenes Eintauchen in eine klangliche Welt, wie man das sonst vor allem vom großen Grigory Sokolov kennt. So mancher Blick auf Haydn dürfte sich da im Publikum verändert haben.
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Zum begeistert erklatschten Abschied dann noch etwas Leichteres: Das Allegro aus Mozarts Klaviersonate Nr. 16 – und mit einem Lächeln geht es nach zweieinhalb Stunden wieder hinaus in die Hamburger Wirklichkeit.