Hamburg. In dem Drama spielt der Schauspieler den Vater der Tennisstars Venus und Serena Williams. Ein Sportfilm, der sich abhebt.
Sportliche Siege üben, das haben die gerade zu Ende gegangenen Olympischen Spiele einmal mehr bewiesen, eine große Faszination aus. Noch größer ist die Faszination, wenn Sportstars Geschwister sind, der Erfolg also quasi im Gen liegt, wie bei den Boxern Wladimir und Vitali Klitschko oder den Rennfahrern Michael und Ralf Schumacher.
Bei den Tennisgöttinnen Serena und Venus Williams kommt noch eine andere Komponente hinzu: Sie stammten aus einfachsten Verhältnissen und haben sich doch bis ganz nach oben gespielt. Und mussten sich als Afroamerikanerinnen auch gegen ein durchweg weißes Sport-Establishment durchsetzen. Das zeigt nun das Filmdrama „King Richard“, das am Donnerstag im Kino startet. Aber aus einer erfrischend anderen Perspektive.
Kino Hamburg: Kein gewöhnlicher Sportfilm
Sportfilme laufen ja eigentlich nach der immergleichen Dramaturgie ab: Ein Star kämpft sich nach schwerem Start voran, erlebt dann einen Rückschlag und feiert am Ende doch einen triumphalen Sieg, gern in Zeitlupe. Der Film von Reinaldo Marcus Greens hebt sich davon erfreulich ab.
Indem er den Vater der beiden Spitzensportlerinnen, Richard Dove Williams jr., in den Mittelpunkt stellt. Aber auch den zeigt er nicht, noch so ein Filmklischee, als kontrollwütigen Helikoptervater, der seine Kinder zu einer Karriere triezt, die ihm selber verwehrt blieb. Im Gegenteil: „Tenniseltern müssten erschossen werden“, wettert er einmal, und er schnauzt oft und gern in diesem Film.
Die fünf Töchter müssen sich ein Kinderzimmer teilen
Dabei soll Vater Williams schon einen ausgeklügelten, 78-seitigen Karriereplan ausgetüftelt haben, als seine Töchter noch gar nicht geboren waren. Er überwachte ihr Training, ließ sie sogar nachts und im Regen spielen. In einer Szene des Films steht denn auch die Jugendfürsorge im Haus, die fragt, ob es nicht zu nass sei für das Training, ob die Mädchen nichts für die Schule tun müssten und die Eltern nicht zu hart zu ihnen seien. Und natürlich ist diese Sozialarbeiterin weiß, genauso wie der Polizist, der sie begleitet. Aber da platzt es aus dem Vater heraus: Er müsse so hart sein, um die Kinder von der Straße fernzuhalten.
Denn die Familie Williams lebt in ärmlichen Verhältnissen im kalifornischen Compton, wo Gewalt und Drogen die Straßen beherrschen, wo in den späten 80er-Jahren, in denen die Williams-Töchter aufgewachsen sind, ein Bandenkrieg zweier rivalisierender Gangs tobt und die Kriminalitätsrate bis heute eine der höchsten in den USA ist. Der Vater arbeitet nachts als Sicherheitsmann, die Mutter tags als Krankenschwester, um ihre fünf Töchter zu ernähren, die sich ein Kinderzimmer teilen müssen.
Ein Vater kämpft für die Zukunft seiner Kinder
Aber all seine freie Zeit verwendet der Vater, mit der tatkräftigen Unterstützung seiner Frau, darauf, Venus und Serena in seinem klapprigen VW Bus zu öffentlichen Tennisplätzen zu fahren, wo sie trainieren können. Er muss sich dafür sogar mit Gangstern anlegen, die seine Töchter anmachen. Und er geht hausieren, indem er reiche weiße Männer um Unterstützung für seine Kinder bittet. Ein ehrgeiziger, sturer, aufdringlicher Vater.
Der auch ihm Wohlgesonnene gern mal vor den Kopf stößt, ihnen ständig Bedingungen diktiert und auch mal einen fahren lässt, wenn die weiße Oberschicht über die Herkunft aus dem Getto die Nase rümpft. Ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt und einem schon mal auf die Nerven gehen kann, aber mit unglaublichem Selbstbewusstsein gegenüber der Sport-Elite auftritt. Und als er endlich einen Promoter für Venus findet, ist ihm das nicht genug: Denn er hat ja noch eine zweite Tennis-tochter.
„Die Welt hatte nie Respekt vor Richard Williams"
Dieser streitbare Mann will nur das Beste für seinen Nachwuchs. Er handelt Stipendien und Verträge für sie so aus, dass ihnen ihre Kindheit und Jugend so weit wie möglich erhalten bleibt, dass sie nicht zu früh auf Turnieren spielen müssen und unter Druck stehen. „Die Welt hatte nie Respekt vor Richard Williams, aber euch werden sie respektieren“, trichtert er ihnen ein. Und auch, dass sie nicht nur für sich kämpfen, sondern „für jedes kleine schwarze Mädchen auf der Welt“. Es ist natürlich der American Dream, es von ganz unten nach ganz oben zu schaffen, vom Tellerwäscher zum Millionär, der einem hier einmal mehr in Reinform präsentiert wird. Und ja auf einer wahren Begebenheit beruht.
Dass das nicht so dogmatisch moralinsauer wie üblich daherkommt, ist vor allem Will Smith zu verdanken. Der hat in „Das Streben nach Glück“ (2006) schon mal eine ganz ähnliche Rolle gespielt, in der er sogar einen Obdachlosen gab, der unbeirrbar mit seinem Sohn von Bewerbungsgespräch zu Bewerbungsgespräch zog, um an dem in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verankerten Recht auf Glück zu partizipieren. Als grau melierter Vater kann der Hollywoodstar endlich mal wieder seine ganze Bandbreite unter Beweis stellen.
Serena und Venus Williams haben den Film mitproduziert
Selbst in den 90er-Jahren berühmt geworden, wie die Williams-Schwestern, hat er sich vom Komiker zum Dramatiker entwickelt, auch mit einem anderen sehenswerten Sportlerfilm, „Ali“ (2001) über Muhammad Ali. Zuletzt aber hat er sich immer wieder in eher mittelmäßigen Filmen verschenkt. In „King Richard“ zeigt er sich nun in einer seiner besten Rollen.
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Neben dem Hauptdarsteller haben auch die Tennisidole Serena und Venus Williams den Film mitproduziert. Allzu kritisch kann der also nicht ausfallen. Aber vielleicht gibt es sie ja wirklich, die Väter, die nur das Beste für ihren Nachwuchs wollen – ohne ihn zu überfordern. Und so ist der Film auch ein Liebesbeweis, der nun quasi als Präsent zum unlängst gefeierten 80. Geburtstag des Vaters auf die Leinwand kommt.
Kino Hamburg: „King Richard“ für sechs Oscars nominiert
Nach all den Pokalen und Grand-Slam-Siegen auf dem Tennisplatz könnte diese Erfolgsgeschichte nun auch noch ganz anderes Gold bekommen, denn „King Richard“ ist gleich für sechs Oscars nominiert. Vielleicht gibt es dann auch endlich einen für Will Smith, nachdem er schon zweimal, beim „Streben nach Glück“ wie bei „Ali“, leer ausging. Den Golden Globe hat er dafür schon mal bekommen.
„King Richard“ 145 Minuten, ab 12 Jahren, läuft ab 24.2. in der Astor FilmLounge, im Cinemaxx, Passage, Savoy, im UCI Mundsburg, UCI Othmarschen und UCI Wandsbek; die Website zum Film: kingrichard-film.de