Hamburg. Mit der Romanadaption der Autorin Ines Geipel zeigt das Off-Theater an der neuen Spielstätte Gaußstraße ein deutsches Psychogramm.
Links ein großes Schlagzeug, vor einer Projektionswand ein kleiner Holzschlitten, umgeben von vielen kleinen Korkteilen: Lässt sich in diesem minimalistischen Kulisse eine Bühnenfassung eines umfassenden, autobiografisch gefärbten Romans über die deutsch-deutsche Geschichte mit einer Analyse der gesellschaftlichen Gegenwart erzählen?
Das Monsun Theater hat es mit Ines Geipels viel gelobtem Buch „Umkämpfte Zone“ versucht und damit zugleich seine neue Spielstätte an der Gaußstraße eröffnet – „für eine gewisse Zeit“, wie Intendantin und Bühnenbildnerin Francoise Hüsges nach der auch live gestreamten Premiere kurz erläuterte.
Die älteste Off-Bühne der Stadt, seit 1980 in einem sanierungsbedürftigen Hinterhof-Haus an der Friedensallee in Ottensen beheimatet, hat sich bis auf Weiteres in der modernen Halle des ehemaligen Fahrradlagers vom Fundbüro Hamburg eingerichtet. Weder die neue Bühne noch Kathrin Mayrs Inszenierung wirken wie ein Provisorium.
Monsun Theater: In „Umkämpfte Zone“ steckt viel drin
Clemens Mädge, mit Mayr für beider Monsun-Adaption des Kästner-Romans „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ mit dem Theaterpreis Hamburg 2020 ausgezeichnet, hat Ines Geipels Roman mit Sounddesign angereichert und auf eineinhalb Stunden dramatisiert. Es steckt viel, fast ein bisschen zu viel darin. Den Untertitel ihres Buchs, „Mein Bruder, der Osten und der Hass“, hat das Regieteam für die Hamburger Inszenierung ausgespart.
Dabei gäbe der ein Indiz, was dieses Stück auch ausmacht. Mit ihrem Bruder Robby steigt Ines Geipel in dessen letzten Lebenswochen vor dem Hirntumor-Tod gewissermaßen in die Krypta der Familie hinab. Die Autorin, geboren 1960 in Dresden und heute Professorin für Verssprache an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, war in der DDR eine Weltklasse-Sprinterin und wurde Opfer von Zwangsdoping, ehe sie im Sommer 1989 noch vor der Wende nach Westdeutschland floh.
Verdrängung und Verleugnung prägten die Gesellschaft bis ins Private, das wird in dieser inszenierten Familiengeschichte deutlich. Sie erzählt von den Schweigegeboten nach Ende der NS-Diktatur, der Geschichtsklitterung der DDR und den politischen Umschreibungen nach der deutschen Einheit.
Wut und latente Aggression auf der Bühne
Die Schauspielerinnen Vanessa Czapla, Julia Nachtmann und Julia Weden teilen sich die Hauptfigur der Ines, geben ihrem Bruder Robby ebenfalls Stimme. Dass sie den Text überwiegend in Richtung des Publikums auf der kleinen Tribüne deklamieren, macht das Stück nicht unbedingt leichter. Ein wiederkehrendes bewusstes Stilmittel.
Umso kontrastreicher und anrührendes der Ausdruck kindlicher Freude beim Spiel mit und auf dem Schlitten. Und wenn Vanessa Czapla am Schlagzeug nicht nur den Takt vorgibt, sondern laut auf die Felle trommelt, ist das ein zusätzlicher Ausdruck der Wut und latenten Aggression. „Heilung durch Schlaf“, wie in der DDR einst mit Schlafkammern propagiert, hilft da nicht.
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Seriöse Vergangenheitsbewältigung konnte so nicht erfolgen, das Vergessen spiegelte sich auch in den Familien, das Schweigen regierte. Generationen spalteten sich wie bei den Geipels schon vor der Wende. Was hat die breite Zustimmung zu Pegida, AfD und rechtsextremem Gedankengut möglich gemacht? Mit Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen ging es ja Anfang der 90er im wiedervereinten Deutschland schon los, in Mölln und und Solingen mit rechtsextremen Anschlägen dann weiter. „Zu 2022 gehört 1933“, sagt Julia Weden zum Ende in der aktualisierten Hamburger Fassung von „Umkämpfte Zone“. Auch eine Form des Verdrängens.
„Umkämpfte Zone“ wieder Di 22./Mi 23.3. und Sa 23./So 24.4.., jew. 20.00, Monsun Theater Gaußstraße (Bus 16), Gaußstraße 149/Haus 2, Karten zu 13,.- bis 25,- (digital: 8,- bis 18,-); www.monsun.theater