Hamburg. She She Pop bringt mit “Dance Me“ einen Generationenkonflikt auf die Bühne, der unterhält – aber mehr als bloßes Wohlfühltheater ist.

„Wir haben gemerkt, dass wir eine Generation sind, als die Krankheiten begannen, sich zu häufen“, sagt Lisa Lucassen. Eine Lüge: Seit fast 30 Jahren macht Lucassen mit der Gruppe She She Pop Theater, und seit fast 30 Jahren arbeiten sich She She Pop am Generationsbegriff ab. Frühe Stücke wie „Things That I Used To Do“ (1996): Erwachsenwerden. Die Erfolgsabende „Testament“ (2010), „7 Schwestern“ (2010) und „Frühlingsopfer“ (2014): Familie. Das Spätwerk „Hexploitation“ (2020): Altern. Eigentlich machten She She Pop immer schon Generationentheater.

Aber noch nie so eindeutig wie im jüngsten Streich „Dance me“, am Wochenende auf Kampnagel. Hier nämlich hat sich das (mehrheitlich weibliche) Theaterkollektiv die nachfolgende Generation auf die Bühne geholt: Fünf Menschen unter 20, die gegen fünf Fiftysomethings in einem Tanzwettbewerb antreten. Vier Runden, „Formation“, „Ausdauer“, „Battle“ und „Finale“. Die Generationen mögen sich nicht, sie stehen einander in Konkurrenz gegenüber. Und, klar, die Alten haben keine Chance.

Kampnagel: Kampf der Generationen von She She Pop

Im Ausdauertanzen ohnehin nicht, irgendwann macht die Pumpe einfach nicht mehr mit. Aber die eigentlichen Tanzrunden sind ohnehin nicht das Spannende an diesem Abend, spannend sind die Zwischenrunden, in denen sich Alt und Jung argumentativ ankeksen. Und es ist bemerkenswert, dass die Jungen auch dabei die entscheidenden Punkte machen.

Dan Belasco Rogers (alt) blafft Sindi Zeneli (jung) an: „Wir wissen nicht, ob Sindi sich die Haare gewaschen hat“, müdes Kichern. Und Zeneli antwortet: „Wir wissen nicht, wann Dan sich zuletzt mit seinen Privilegien auseinandergesetzt hat.“ Schon alleine in Bezug auf das Diskursniveau sind die Jungen da meilenweit enteilt.

"Dance Me": Nicht schonungslos – aber unversöhnlich

Die schonungslose Schärfe des Vorgängers „Hexploitation“ erreicht „Dance me“ nicht, dafür sind die Pointen zu gut gesetzt, dafür ist die Musik zu einschmeichelnd, dafür ist es auch zu unterhaltsam, etablierten Theatermenschen zuzusehen, wie sie sich konsequent lächerlich machen. Aber: Wohlfühltheater ist der Abend auch nicht, in seiner Unversöhnlichkeit, mit der die Beteiligten begeistert Finger in Wunden legen.

„Schade ist, dass wir aufgrund unseres Alters gecastet wurden und nicht aufgrund unserer Skills“, spiegeln die Jungen den Alten das Machtgefälle der Produktion, und: „Schade ist, dass ihr die Stars seid und wir nur die jungen Performer.“ Mal ehrlich: Diese jungen Performer haben eine Bühnenpräsenz, freundlich, klug, hart, für die mussten She She Pop in 30 Jahren zweimal zum Theatertreffen eingeladen werden!

Chancenlos und Spaß dabei

Ist der Abend traurig? Sicher, denn: Wie es sich für einen ordentlichen Vatermord gehört, endet er mit dem Tod der Alten. Ist er kalt? Ganz und gar nicht. Wenn man sieht, wie die Alten lächeln, während sie müde zu Lana Del Reys „Born to die“ vor sich hintanzen, dann weiß man, dass die Staffelübergabe an die junge Generation eigentlich ein schöner Akt ist. Man muss nur Spaß an der Tatsache haben, dass man ohne Chance ist.

"Dance me" wieder am 12. Februar, 20 Uhr, 13. Februar, 17 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20, Tickets unter 27094949, 20, www.kampnagel.de