Hamburg. Form, Farbe, Oberfläche und Raumwirkung im Fokus: Die Ausstellung „Minimal Art. Körper im Raum“ zeigt Werke zentraler US-Künstler.

Was bleibt, wenn man der Kunst den Charakter der Illusion wegnimmt? Im wesentlichen Form, Farbe, Oberfläche und Raumwirkung. Auf diese Parameter konnten sich die US-amerikanischen Gründerväter der Minimal Art in den 1960er-Jahren einigen. Zentrale Werke von Vertretern der Bewegung und von diesen inspirierte Werke deutscher und zeitgenössischer Künstler stellt die Schau „Minimal Art. Körper im Raum“ im Bucerius Kunst Forum ab dem 12. Februar vor.

Insgesamt 17 Arbeiten verteilen sich großzügig auf 800 Quadratmetern, denn der Raum ist ein zentrales Moment der oft großformatigen Werke. Den US-Künstlern Carl André, Dan Flavin, Donald Judd, Sol LeWitt und Robert Morris ging es auf ganz individuelle Weise um eine Abkehr von der europäischen Tradition und vom abstrakten Expressionismus. Ihr Anliegen war es, den Illusionismus und den zweidimensionalen Bildraum zu überwinden. Wichtig war ihnen außerdem eine Demokratisierung der Kunst. Sie sollte für jedermann unmittelbar erfahrbar sein.

Ausstellung: Das Bucerius Kunst Forum präsentiert Minimal Art

Der Bildhauer Carl André (geb. 1935) sah sich in der Tradition von Constantin Brâncuși, seine Skulptur „45 Degree Swipe“ (1971) lädt mit ihren stählernen Bodenplatten den Betrachter ein, das Werk wie einen Steg zu betreten und von da aus den Raum zu erfahren. Sehr passend fordert es auch den Besucher der Schau zur Begegnung mit der Kunst des Minimalismus auf. Robert Morris (1931–2018) wiederum nutzt in „Unti­tled“ (1974) mit Filz ebenfalls ein indus­trielles, allerdings künstlerisch bearbeitetes Material. Die aufgehängte Skulptur führt zu einer variablen Form.

Donald Judd (1928–1994) dagegen fertigte von seinen Arbeiten Entwürfe an und ließ diese dann industriell produzieren. Sein zentrales Werk „Untitled (Stack)“ (1968–69), das sich dem Dazwischen widmet, besteht aus zehn gleich großen, übereinander angebrachten Kästen aus Edelstahlblech, deren bernsteinfarbene Plexiglasflächen für Lichtspiele im Raum sorgen. Das Werk verbindet sich mit der Architektur und definiert den Raum neu. Sol LeWitt (1928–2007) wiederum schätzte die unzweideutige Form des Würfels als unemotional und pur. Sein „Cube-Cube“ (1965) lädt dazu ein, ihn von allen Seiten zu betrachten.

Charlotte Posenenske ist als einzige Frau vertreten

Die Minimalisten waren vor allem in der Wahl ihrer Mittel keine einheitliche Bewegung. Dan Flavin (1933–1996) etwa schuf sein eindringliches Werk „Untitled (to Barnett Newman) Four“ (1971) als Hommage an Barnett Newmans Werkreihe „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue“ (1966–1970). Bei ihm schimmert die Lichtskulptur im Zusammenspiel der Farben jedoch in zartem Violett. Er arbeitet mit Leuchtstoffröhren, wobei das Licht zu seinem Material wird.

In einem zweiten Teil sind Reaktionen deutscher und zeitgenössischer Künstler auf diese Periode gruppiert, wobei sie ausdrücklich nicht als „Minimalisten“ bezeichnet werden, was der Ausstellung eine gewisse inhaltliche Unschärfe gibt. Als einzige Frau ist Charlotte Posenenske (1930–1985) dabei, die in einer kurzen Schaffensperiode den Minimalismus radikal weiterdachte – bis hin zur Totalverweigerung. In „Vierkantrohre Serie D“ (1967/2019) trieb sie den Gedanken der Demokratisierung ebenso wie eine subversive Kritik am Kunstmarkt auf die Spitze. Die Arbeit erinnert an Lüftungskanäle.

Bucerius Kunst Forum: Klassiker der meisterhaften Reduktion bestaunen

Mit mehreren Werken ist der Joseph-Beuys-Schüler Imi Knoebel (Jahrgang 1940) vertreten. In „Braunes Kreuz“ (1968/2018) bezieht er sich auf das „Schwarze Quadrat“ (1915) des russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch. Die Arbeit besteht aus fünf Quadraten, die sich dynamisch nach rechts neigen und für Knoebel in ihrer vollständigen Reduktion die unendlichen Möglichkeiten der gegenstandslosen Kunst symbolisieren. Ab 1975 entdeckte Knoebel die Farbe für sich. In der Arbeit „Ort – Blau Gelb Rot Rot“ (2008) finden sich die bekannten Farben großflächig auf Aluminiumplatten.

Nur noch relativ ungenau fügen sich die weiteren Werke in diese Konzeption. Frank Gerritz’ „Block I-IV“ (1988/2020) ist nicht der Minimal Art zuzurechnen, schon weil die vier Eisenblöcke nicht industriell und damit reproduzierbar, sondern traditionell in einem aufwendigen Gussverfahren hergestellt wurden. Jeppe Heins Skulptur „Changing Neon Sculpture“ (2006) nimmt mit ihren würfelartig angeordneten Leuchtstoffröhren einen doch eher vordergründigen Bezug zur Arbeit Sol LeWitts. Allein schon für die Klassiker der meisterhaften Reduktion, deren Einflüsse bis heute sichtbar sind, lohnt sich der Besuch.

„Minimal Art. Körper im Raum“ 12.2. bis 24.4., Bucerius Kunst Forum, Alter Wall 12, tägl. 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr. Am 4.3., 19 Uhr, gibt es eine Exklusiv-Führung für Abendblatt-Leser mit Andreas Hoffmann, Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums. Karten zu 25 Euro unter abendblatt.de/leserevents oder T. 30 30 98 98