Hamburg. Nach dem Klassiker „Mord im Orient-Express“ hat Kenneth Branagh nun auch den zweiten Krimi neu verfilmt. Eine große Ego-Show.

Schon in jungen Jahren hat Kenneth Branagh mehrfach Shakespeare verfilmt. Und sich dabei immer wieder selbst inszeniert. Der Höhepunkt: sein „Hamlet“ von 1996 mit Kate Winslet als Ophelia, wo er, seinem Vorbild Laurence Olivier nacheifernd, sich selbst als Prinz in Szene setzte, in einer legendären Spiegelsaalszene mit ihm zwischen lauter Stars. Was kann da noch kommen?

Branagh macht sich nun an eine andere Größe Großbritanniens, wenngleich nicht ganz der Hochkultur. Nach Agatha Chri­stiesMord im Orient-Express“ hat er nun auch deren Krimi „Tod auf dem Nil“ verfilmt. Wieder mit sich selbst als Meisterdetektiv Hercule Poirot. Seine zweite Christie-Adaption ist aber nicht mehr ganz so star-gesättigt wie der „Orient-Express“. Die Stars haben wohl gemerkt, dass man da bloß Staffage für die große Ego-Show des Regisseurs, Produzenten und Hauptdarstellers ist.

Kino Hamburg: „Tod auf dem Nil“ wurde schon verfilmt

Nun gab es wie beim „Orient-Express“ auch von „Tod auf dem Nil“ schon eine großartige Verfilmung, von 1978 mit Peter Ustinov, die gar nicht gealtert ist und deren Tatort, ein Schaufelraddampfer auf Touritour auf dem Nil, zum Klischee des Massentourismus in Ägypten wurde. Wie kann man das noch toppen?

Kenneth Branagh setzt sich als Hercule Poirot selbst in Szene.
Kenneth Branagh setzt sich als Hercule Poirot selbst in Szene. © dpa | Rob Youngson

Branagh hat zumindest seinen absurden Poirot-Bart aus dem „Orient-Express“ ein wenig gestutzt. Und während dieser in Christies Krimis Poirots ganzer Stolz ist, wird das hier einmal anders erzählt. Wir sehen Poirot erst, noch mit nacktem Kinn, in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, wo sein Instinkt eine ganze Kompanie rettet, er aber von Bombensplittern getroffen wird, die einen Teil seines Gesichts bis ans Ende seiner Tage entstellen. Deshalb der überdimensionale Bart. Die Zier als Maske, Schutz, Charade: Agatha Christie wäre wohl not amused.

Lady Linnet stirbt – und hatte viele Feinde

Das freilich passt gut zu den exzen­trischen Reichen, die 20 Jahre später auf einem Luxusdampfer schippern und alle ihre Geheimnisse und Narben auf der Seele haben. Erst wird noch das Hochzeitsglück von Lady Linnet (gespielt von Gal Gadot) mit Simon Doyle (Armie Hammer) gefeiert.

Doch bald ist die Lady tot, und in Verdacht gerät nicht nur die einst beste Freundin Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey), die ihren Verlobten an sie verlor. Jeder, so findet der Meisterdetektiv heraus, hatte mit Lady Linnet zu tun oder gar ein Hühnchen mit ihr zu rupfen. Während draußen die majestätische Nillandschaft unbeachtet vorbeizieht, zieht Poirot seine Kreise durch den Speisesaal des Boots. Voilà, eine weitere Ego-Nummer im Zirkus Branagh.

Die zwei Stunden ziehen sich ziemlich in die Länge

An das All-Star-Ensemble des Vorgängerfilms kommt „Tod auf dem Nil“ nicht ganz heran. Und auch die exotischen Schauwerte allein reichen offenbar nicht mehr aus. Bei einem Panoramablick auf den Nil muss gleich ein Krokodil aus dem Wasser schießen, auf den Pyramiden muss man einen Drachen steigen lassen, und der Tempel von Abu Simbel versinkt gar in einem Sandsturm. Wenn schon Wüste, dann auch richtig.

Immerhin: Hier darf nicht nur der blasierte Poirot jeden verdächtigen und brüskieren. Hier wird der Meisterdetektiv auch selbst, vor allem von den Frauen, als manischer, eitler Egoist kritisiert. So modern ist der Film schon, dass er überkommene Rollenbilder infrage stellt. Aber während Agatha Christie ja trotz aller Motive am Ende immer mit der absurdesten Lösung aufwartet, kommt man der in der Neuverfilmung recht schnell auf die Schliche. Und dafür ziehen sich die zwei Stunden ziemlich in die Länge.

Kino Hamburg: Missbrauchsvorwürfe gegen Hammer

Der Film von 1978 war noch als Komödie angelegt und unterhaltsamer. Branaghs tragi-neurotische Untertöne aber machen die Story nicht interessanter, eher zäher.

Und dann ist da noch das Armie-Hammer-Problem: Dem amerikanischen Hauptdarsteller wird mehrfacher Missbrauch vorgeworfen. So leidet dieser Poirot-Film ungewollt noch an ganz anderen Wunden. Und am Ende ist der Bart dann ganz ab.

„Tod auf dem Nil“ 127 Minuten, ab 12 Jahre, läuft im Abaton, Savoy, Elbe, Studio, Holi, in der Koralle, in der Astor Film Lounge, im Zeise sowie in den UCI- und Cinemaxx-Kinos