Hamburg. „Star Wars“, „E.T.“, „Schindlers Liste“ – der Magier der Klangwelten wird 90. Zu diesem Anlass gibt es ein besonderes Ereignis im Kino.
Vor vier Monaten erst hatte er sein Debüt in der Berliner Philharmonie. Mit 89 Jahren! Voller Inbrunst dirigierte er seine eigenen Werke, immer wieder wendete er sich ans Publikum und plauderte aus seinem Leben. Von Steven Spielbergs Umtriebigkeit, von George Lucas’ Verschwiegenheit.
Heute wird John Williams 90 Jahre alt. Und schafft es an diesem Tag einmal selbst auf die große Leinwand. Für kurze Zeit kommt die Aufzeichnung eines Konzerts in die Kinos, das er im Januar 2020 im Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern und Anne-Sophie Mutter gegeben hat. „John Williams – Live in Vienna“ war sein erstes Konzert überhaupt in Kontinentaleuropa – die CD-Einspielung steht seit Monaten in den Klassik-Charts.
Kino Hamburg: John Williams ist omnipräsent
Zum 90. ist Williams, dem auch die Laeiszhalle in Kürze einen Abend widmet, also omnipräsent. Das hat er, der größte lebende Filmkomponist, mehr als verdient. Üblich ist es nicht. Filmkomponisten führen ja immer ein Schattendasein hinter der Leinwand, nur die Wenigsten werden auf der Straße erkannt – wenn man überhaupt ihren Namen kennt. John Williams aber kennt jeder. Jeder kennt auch mindestens eine Melodie von ihm. Oft reichen ein paar Takte, und schon spielt sich im Kopf der dazugehörige Film ab.
Die Fanfaren aus „Star Wars“, Klassiker wie „Der weiße Hai“, „Schindlers Liste“, „Unglaubliche Begegnung der dritten Art“, alle undenkbar ohne die Kompositionen des Jubilars. Melodien, die sich eingebrannt haben ins kollektive Gedächtnis. Legendäre 52-mal wurde John Williams für einen Oscar nominiert. Nur Walt Disney war öfter nominiert. In mehreren Jahren war Williams sogar doppelt, einmal sogar dreifach nominiert. Fünfmal hat er den Goldbuben tatsächlich gewonnen.
Williams wandelt durch alle Genres
John Williams ist ein Magier der Klangwelten und Meister der Stimmungen. Ein Mittler zwischen Tradition und Moderne, der virtuos experimentieren, dann aber auch wieder symphonische Traditionen fortführen und doch zu seinen ganz eigenen Klangwelten verschmelzen kann.
Mühelos wandelt er zwischen allen Genres, bedient die ganze Klaviatur des Kinos, vom Drama bis zur Komödie, vom Historienfilm bis zur Science-Fiction. Ganze Generationen sind mit ihm groß geworden. Die Jugend der späten 70er erlebte ihre Kino-Initiation mit „Krieg der Sterne“, die Kinder der 80er mit „E.T.“, die der 90er mit „Jurassic Park“ die der Nullerjahre mit „Harry Potter“. Man spiele das Hauptthema an, schon werden gestandene Erwachsene wieder zu Kindern und schwelgen in Erinnerungen.
Williams kam mit 24 Jahren zum Film
Dass in seiner Klangwelt so viele Fanfaren und Märsche erklingen wie der berühmte „Imperial March“ aus „Star Wars“ oder die Titelmelodie von „Indiana Jones“, liegt daran, dass der gebürtige New Yorker, der schon mit drei Jahren Noten lesen konnte, seinen Militärdienst als Dirigent und Arrangeur im Musikkorps der US Air Force verbrachte.
Gleich danach kam er, mit nur 24 Jahren, zum Film. Erst als Studiopianist, wo er noch bei Einspielungen der großen Komponisten von Hollywoods Goldener Ära mit dabei war: bei Elmer Bernsteins „Die glorreichen Sieben“, Adolph Deutschs „Manche mögen’s heiß“ oder Henry Mancinis „Frühstück bei Tiffany“. Ab den 60er-Jahren komponierte er dann schon selbst für Filme wie „Wie klaue ich eine Million?“ von 1966 oder für den Katastrophenfilm „Der Untergang der Poseidon“ von 1972.
Zwei prägende Begegnungen in Hollywood
Aber untrennbar ist mit ihm das Kino des New Hollywood verbunden. Hier waren zwei Begegnungen ganz entscheidend: Spielberg und Lucas. Spielberg half er aus der Klemme, als bei dessen Schocker „Der weiße Hai“ lange die Hai-Attrappe nicht funktionieren wollte. Williams kam auf die geniale Idee, das „fehlende“ Biest durch ein paar dumpfe Streicherbässe zu ersetzen. Was den Grusel noch verstärkt.
Für Spielberg komponierte er auch den grandiosen Score des Science-Fiction-Films „Unglaubliche Begegnung der dritten Art“ – der nur deshalb nicht den Oscar gewann, weil Williams ihn für „Krieg der Sterne“ bekam. Für den er nicht etwa auf zeitgemäße Synthesizerklänge setzte, sondern die Renaissance der damals fast verpönten Neoromantik im Film einleitete. Mit Anklängen an Wagner und dessen Leitmotive wurde „Star Wars“ zum Kult.
Für „Schindlers Liste“ gewann er seinen letzten Oscar
Mit Spielberg verbindet Williams eine lebenslange Freundschaft, fast kein Spielberg-Film kommt ohne seine Musik aus. Ihm hätte er nur einmal fast abgesagt: Williams hatte Angst, bei dem Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ nicht den richtigen Ton zu treffen.
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Wie man sich irren kann: Es sollte einer seiner besten und reifsten Scores werden und ihm seinen bisher letzten Oscar einbringen. Daneben hat Williams auch mit vielen anderen Regie-Größen gearbeitet: Oliver Stone, Barry Levinson, Sidney Pollack, Alan Parker, Jean-Jacques Annaud, Roland Emmerich. Williams schrieb auch das Quartett zu Barack Obamas Vereidigung zum Präsidenten und Fanfaren für vier Olympische Spiele.
John Williams von Philharmonikern eingeladen
Einer seiner Herzenswünsche, hat er einmal in einem Interview verraten, war es, einmal die Wiener Philharmoniker zu dirigieren. Als die davon hörten, luden sie ihn sofort ein. Nun ist er mit ihnen auf großer Leinwand zu erleben.
Im Kino: „John Williams – Live in Vienna“ im Zeise (heute, 16.30, und 13.2., 11 Uhr) und im Savoy, heute, 17.15 Uhr) Laeiszhalle: „The Sound of Hans Zimmer & John Williams“, 13.3., 19.30 Uhr, Karten u. a. in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32.