Hamburg. Die US-amerikanische Indierock-Band Big Thief liefert ein herausragendes Doppelalbum ab. Ihr Hamburg-Konzert ist auf Juli verschoben.

Erstens, es gibt den Indierock noch, mag es auch der Gitarre, die über Jahrzehnte die erste Geige in der Popmusik spielte, fürs Erste die Sprache verschlagen haben. Die jungen Leute rappen lieber oder hören R’N’Bums, für Akkorde blieb zuletzt wenig Spielraum. Zweitens, es gibt auch noch die Indiebands, die ehrbar sind, authentisch, gefühlvoll, kuschelig, niedlich, zum Liebhaben. Drittens, es gibt ebenfalls und weiterhin die Bands, „auf die sich alle einigen können“, wie wir Hype-Liebhaber das nennen.

Seit zwei Jahren heißt diese Band Big Thief. Sie stammt aus Amerika, was nicht ganz unlogisch ist: Die besten Dinge kommen oft aus Amerika, wenn es um Populärkultur geht. Populärer ist die ursprünglich in Brooklyn beheimatete vierköpfige Band stetig geworden. Wie das so ist mit Süßigkeiten (diese Band ist, bisweilen, so süß wie Schokolade): Sie haben irgendwann viele Fans.

Indierock: Big-Thief-Doppelalbum beinhaltet 20 Lieder

Die größten sitzen in der Redaktion von Pitchfork, dem globalen Popleitmedium. Keine Rockband kam dort in den vergangenen fünf Jahren so gut weg wie Big Thief. Seit den 2019 erschienen Alben „U.F.O.F.“ und „Slow Hands“ ist die Band aber auch hierzulande kein Geheimtipp mehr, von der nur die gehört haben, die zarte Gitarrenakkorde schon vernehmen, ehe die Gitarrensaite überhaupt gezupft wurde.

Jetzt erscheint, wenn schon, denn schon, ein Big-Thief-Doppelalbum. „New Warm Mountain I Believe in You“ (Beggars, ab 11.2. erhältlich) ist kostbare 20 Lieder lang und wurde von Adrianne Lenker, Max Oleartchick, Buck Meek und James Krivchenia in vier Aufnahmesessions eingespielt. Jaja, das wird schon so essenziell für die Entstehung des Werks gewesen sein, wie die Band nun, so hochtrabend das in den Waschzetteln der Plattenfirmen immer klingen muss, verlauten lässt.

Pedal-Steel-Gitarren zu etwas Höherem veredelt

Entscheidend für diejenigen, die sich in der Big-Thief-Exegese hervortun und die ästhetische Entwicklung der Band ganz, ganz genau verfolgen, ist – dass man keineswegs über das absolute Gehör verfügen muss, um zu erkennen, was anders ist: Big Thief hat noch mal die Pedal-Steel-Gitarre entdeckt. Das Tolle ist: Verzichtbares wie Pedal-Steel-Gitarren werden von Lieblingsbands immer zu etwas Höherem veredelt. So auch hier.

Es war mal heiß in Arizona, mal erhaben in den Rocky Mountains, als die neuen Lieder aufgenommen wurden. Man hört die Differenz (oder glaubt sie zu hören). Und man hört fraglos immer und überall, dass Frontfrau Adrienne Lenker der Gamechanger ist: Ohne sie wäre die Band vermutlich nichts.

Eine Platte, die man am Elbstrand hört

Auf Songs wie „Certainty“ und „No Reason“ (Top-Flöte hier), die den klassischen Folkrock-Sound der Band haben, bewältigt Lenker, deren überragendes Solowerk „Songs/Instrumentals“ vor einem Jahr erschien und die einmal mit Buck Meek verheiratet war, ihre gescheiterte Beziehung. Der Übersong ist das massiv schrabbelnde und dengelnde und beschwörende „Little Things“. Der beste Song ihrer Karriere, mindestens, ein Liebeslied auch das, aber was für ein stürmisches.

„New Warm Mountain I Believe in You“ ist die Platte, die wir im Frühjahr am Elbstrand hören und im Sommer beim Grillen. Keine Band klampft so schön wie diese, und solange es noch früh dunkel wird, zünden wir uns ein Teelicht an. Und dann noch eins. Ist ja ein Doppelalbum.

Das für den 16.2. geplante Big-Thief-Konzert in der Fabrik ist auf den 1.7. verschoben