Hamburg. Kabarettist Florian Schroeder glänzte beim langen Jahresrückblick „Schluss jetzt!“ im Lustspielhaus gleich zweimal – noch unter 2G.

Dieser Mann hat Ausdauer, Ideen und reichlich Stoff, schreibt Bücher und spricht Hörbücher. Zudem ist Florian Schroeder dank seiner gleichnamigen satirischen Late-Night-Show in der ARD – neuerdings mit Autorin Laura Karasek als Co-Gastgeberin – seit Jahren einer der bekanntesten und profiliertesten Kabarettisten der Republik.

„Schluss jetzt!“, sagte sich Schroeder am Wochenende gleich zweimal in Alma Hoppes Lustspielhaus. Und sein satirischer Jahresrückblick hatte es in sich. Die Abende waren zugleich die vorerst letzten Vorstellungen im Eppendorfer Kabarett-Theater unter 2G-Bedingungen, ehe von Dienstag an auch hier nach den 2G-plus-Regeln weitergespielt wird.

Florian Schroeder: „Olaf Scholz ist die Merkel-Mutante“

„Danke, dass Sie diesen ganzen Wahnsinn auf sich nehmen“, wandte sich Schroeder zu Beginn des mehr als zweieinhalb Stunden langen Programms an die großteils maskierten Besucher (so sie nicht an den Tischen etwas tranken oder knabberten). Die diversen, sich regelmäßig veränderten „G“-Regelungen nahm Schroeder ebenso aufs Korn wie die Ministerpräsidenten-Konferenz. Mit jener Runde sei es „wie bei Corona - mit jeder Mutation wird es anstrengender.“ Und der neue Bundeskanzler? „Olaf Scholz ist die Merkel-Mutante“, spottete Schroeder.

Im Rückblick auf 2021 rieb sich der Kabarettist - wie es sich für einen guten Satiriker geziemt – an den Mächtigen, sprich der neuen Ampel-Regierung, für ihn eine „sozial-liberale Koalition mit den Grünen als fünftem Rad am Wagen“. Der Rhetorik von Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner kam Schroeder schon hier in angedeuteten Parodien charakteristisch und parodistisch sehr nah. Aus seiner Abneigung gegen die heutige „Anarcho-Partei“ FDP („Sie steht für Rasen und Kiffen“) und seiner Zuneigung zu den von ihm gewählten Grünen machte Schroeder auf der Bühne keinen Hehl - nicht ohne Letztere und ihr Regierungspersonal kritisch zu betrachten. Und mit feiner Selbstironie - auch eine Kunst - holte sich Schroeder vom Sockel: „Ich bin der typischer Grün-Wähler: alt, weiß und reich ...“

„Bild TV“ ist für Schroeder „eine Art Fox News für Arme“

Dabei ist der smarte Satiriker, 1979 in Lörrach geboren und seit Langem in Berlin lebend, wie die neue Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ein Vertreter der „Generation Praktikum“. Jedoch einer, der sich und das System analytisch hinterfragt. Anhand von Fakten erläuterte Schroeder, wie im Internet grassierender Hass und Hetze entstehen und verbreitet werden können, ohne dass Global Player wie Facebook, Google und Youtube dafür belangt werden: 1996 habe sie der US-Kongress quasi wie Telefonleitungen eingestuft, und die EU sei dieser Einschätzung gefolgt.

Von derlei mehr an Gewinnmaximierung als an demokratischer Aufklärung interessierten US-Großkonzernen kam Schroeder zur Abrechnung mit den realen deutschen Medienverhältnissen und Auswüchsen wie etwa „Bild TV“, für den Satiriker „eine Art Fox News für Arme“. Belegt mit Original-Ausschnitten und peinlichen Abgesängen von dessen Ex-Kollegen sparte Schroeder auch die Sex-Affären des abgesetzten „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt aus Hamburg nicht aus, dem viele Getreue beim Springer-Verlag „bis zuletzt die Stange gehalten“ hätten.

Satiriker arbeitet für den Erhalt der Demokratie

Deutlich wurde: Auch wenn Schroeder sich selbst der neuen Medien bedient und seine Bücher und CDs ´an den Mann und die Frau bringen will, arbeitet hier auf der Bühne einer mit komischen Mitteln und ernsthaften Anliegen für den Erhalt der Demokratie. Und so kam Schroeder auch im zweiten Teil seines Mammut-Rückblicks auf die neue Opposition CDU/CSU („Material habe ich genug“) von Maskenaffäre bis zum Comeback von Friedrich Merz „Wenn ich ihn sehe, denke ich immer, gleich kommt Manfred Krug und wirbt für Telekom-Aktien“, spottete Schroeder. Doch das passte für ihn ins „Retro-Jahr 2021“, in dem auch ABBA zurückkehrte. Die Band habe gleich drei passende alte Hits für Unions-Politiker parat, meinte er: „Money Money Money“ für Merz, „Mamma Mia“ für Angela Merkel - und „Waterloo“ für Armin Laschet.

Der ein oder andere bereits bekannte TV-Ausschnitt weniger und etwas mehr Stringenz hätte Schroeders Jahresrückblick gut getan. Jedoch brillierte der Parodist zum Ende seiner Show als Markus Lanz in einer „tollen Runde“ mit einer Talk-Versammlung der im Vorjahr aus der ersten Reihe Abgetretenen: Von Schäuble, über Löw und Merkel zu Bohlen bis hin zu Trump – Schroeder traf sie alle. Als Zugabe noch eine Parodie-Jukebox von spontan genannten Politikern - auch das klappte. Das standen manche aus dem Publikum begeistert vor ihren Sitzen, im Kabarett eher selten zu erleben.

Schroeder glänzt im Lustspielhaus als Karl Lauterbach

Seine beste und längste Parodie aber hatte Schroeder bereits am Ende des ersten Teils von „Schluss jetzt!“ geliefert: Als Karl Lauterbach kam der Kabarettist mit dessen rheinischem Singsang mehrmals auf „Harvard“-Konzepte und die „Pandemie“ zu sprechen – mit der beim SPD-Gesundheitsminister typischen Betonung auf der jeweils ersten Silbe. „Das Einzige, was uns noch fehlt, ist ein Impfstoff gegen den Menschen“, sagte Lauterbach alias Schroeder. Beide Typen aber blieben uns erhalten, ob nun im Fernsehen oder auf der Bühne.

Florian Schroeder: ,,Neustart“ 14.3., weitere Jahresrückblicke (unter 2G-plus-Bedingungen): Di 11.1. Anny Hartmann: „Schwamm drüber“, Mi 12.1., jew. 20.00, Onkel Fisch: „blickt zurück“, Lustspielhaus, Ludolfstr. 53, Karten unter T. 55 56 55 56; www.almahoppe.de