Hamburg. In der Laeiszhalle geriet Tschaikowsky lyrisch. Warum Chefdirigent Cambreling den Arm des Solisten in die Höhe riss.

Streng wurden die geltenden Corona-Regeln beim Neujahrskonzert der Symphoniker Hamburg am Sonntagvormittag in der Laeiszhalle beachtet. Um angemessene Abstände zu sichern, wurden Maskenpflicht und die Einhaltung des Schachbrettmusters vor allem im Parkett konsequent durchgesetzt und Menschen, die das ignorieren wollten, sofort umgesetzt.

Dann beglückten uns das Residenzorchester der Laeiszhalle, sein Chefdirigent Sylvain Cambreling und der Pianist Nelson Goerner mit einer wirklich einzigartig ausdifferenzierten Interpretation von Peter I. Tschaikowskys 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23. Einem oft, leider viel zu oft plakativ heruntergespielten Klassik-Hit, den Cambreling und seine Symphoniker in der Orchesterexposition weit lyrischer anlegten als gewohnt.

Laeiszhalle: Verzierte Flötensoli und markierende Hörner

Für Dramatik sorgte Nelson Goerner gleich mit einem ausnehmend kraftvollen ersten Solo, behauptete auch fortan die Dominanz des Klaviers und verband sich in wundervollen melodischen Bögen und Legati mit dem sonor pulsierenden Klang der Symphoniker. Toll, wie die vom Klavier mit Laufgirlanden verzierten Flötensoli Susanne Barners, die frechen Gesten von Christian Ganzhorns Fagott und die etliche Phrasenenden markierenden Hörner die Kunst von Tschaikowskys Orchesterbehandlung hervortreten ließen. Es war Cambrelings Verdienst, dass ein gleicher Atem durchs Orchester floss und dass alles mit einer Seele und Inbrunst, aber ohne jede Übertreibung gespielt wurde, die dieses Stück ja leicht provoziert.

Goerners Technik und Musikalität waren grandios, als er im Prestissimo des zweiten Satzes mit seinem aufbrausenden Solo den tänzerischen Abschnitt des sonst so kantablen Satzes einleitete, im Finale dann das Feuer bei den vielen Brüchen und wechselnden Charakterabschnitten auflodern ließ. Weil man sich ja nicht die Hände reichen durfte, ergriff Cambreling beim Applaus voller Begeisterung den Arm des Solisten und riss ihn in die Höhe, wie es der Ringrichter mit dem Champion in einem Boxkampf tut.

Drastische Klangfarbenveränderung beim Neujahrskonzert

Es war eine kluge Entscheidung, in Zeiten der Sorge und Bedrohung bei diesem Neujahrskonzert außerdem ein Werk wie die Symphonischen Tänze op. 65 von Sergej Rachmaninow aufs Programm zu setzen, das autobiografisch geprägt ist und die Widrigkeiten und Widersprüche des Lebens auf seine Art thematisiert.

Ein in diesem Werk zusätzlich besetztes Altsaxofon veränderte die Klangfarbe des Orchesters drastisch und Cambreling arbeitete sowohl die Motorik und hämmernde Rhythmik zu Beginn des Allegros als auch die immer wieder einbrechende Ernüchterung im melancholischen Walzer plastisch heraus.