Hamburg. Händels “Messiah“, dirigiert von Nigel Short und engelsgleich gesungen von Grace Davidson, zog das Publikum im Großen Saal in den Bann.

Viel hätte nicht gefehlt, dann wären ihr noch kleine Flügel gewachsen. Musikalisch war das ohnehin schon passiert. Auch wenn das Bild abgedroschen ist: Grace Davidson singt einfach wie ein Engel. Ganz leicht, ganz natürlich, als schwebte ihr silbriges Timbre ohne irdische Mühen durch den Saal. Zum Niederknien.

Die Sopranistin setzte unvergessliche Glanzlichter. An einem Abend in der Elbphilharmonie, der sein Publikum mit einer leicht gekürzten Fassung von Händels „Messiah“ in den Bann zog. Weil es dem Dirigenten Nigel Short gelang, das Stück wie frisch komponiert wirken zu lassen. Er selbst, seine vier Solisten, der Tenebrae Choir und die Academy of Ancient Music sind, wie so viele britische Musikerinnen und Musiker, eng mit dem Messiah vertraut und haben ihn zigfach gesungen und gespielt. Und trotzdem schildern sie die biblischen Botschaften – von der Ankündigung der Geburt Christi bis zur Erlösung der Menschen –, mit einem Staunen, als hätten sie den Notentext zum ersten Mal vor der Nase.

Elbphilharmonie: „Messiah“ verursacht Gänsehaut beim Publikum

Dieser von einer tiefen Kenntnis der Partitur getragene Mix aus Sorgfalt und Spontaneität belebte die ganze Aufführung und machte kleinere und mittlere Unstimmigkeiten zur Randnotiz. Dass etwa die beiden schon etwas reiferen männlichen Solisten nicht mehr ganz die vokale Flexibilität ihrer Kolleginnen erreichten, wurde durch ihre mitreißende Präsenz und Ausdruckslust mehr als aufgewogen.

Und dass Nigel Short den Alt und Bass seines Tenebrae Choir nur mit jeweils vier Sängerinnen und Sängern besetzt hatte, sorgte zwar für eine Schieflage in der Balance – rückte aber den typisch britischen Laserstrahl-Sound der sechs Soprani und fünf Tenöre dafür umso mehr in den Fokus. Der fräst einem so schön ins Trommelfell. Gänsehaut-Alarm!

Die fantastische Academy of Ancient Musik begleitete und umrahmte all das mit vielen Nuancen und feinem Gespür für den Wortsinn. Unter Shorts Leitung formte das Ensemble einen sprechenden Klang, der Text und Inhalt des Oratoriums auf den historischen Instrumenten mitfeierte. Hallelujah!