Saskia Giorgini bricht in der Elbphilharmonie ihr Konzert bei der Zugabe ab, geht von der Bühne. Später verrät sie dem Publikum den Grund.

  • Pianistin Saskia Giorgini bricht urplötzlich ihr Konzert ab
  • Das Publikum in der Elbphilharmonie wird unruhig, ist irritiert
  • Hat Saskia Giorgini einen Blackout oder einen Krampf in der Hand?

Plötzlich geht nichts mehr. Saskia Giorgini ist mitten in ihrer ersten Zugabe, dem Scherzo aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“ in der Bearbeitung von Sergej Rachmaninow, als sie die Hände von der Tastatur nimmt, entschuldigend ins Publikum blickt und die Bühne verlässt. Irritation im ausverkauften Kleinen Saal der Elbphilharmonie, der so etwas vermutlich noch nicht erlebt hat. Was ist denn da passiert? Hat sie einen Blackout? Oder einen Krampf in der Hand?

Doch wenig später kehrt die 36-Jährige zurück und erklärt, dass ihr Vater vor 14 Tagen gestorben sei. Die Erinnerung an ihn habe sie gerade schlicht überwältigt. Dann setzt sie sich wieder an den Steinway und widmet ihm zwei eigene Lied-Bearbeitungen: von Rachmaninows „Im Schweigen der heimlichen Nacht“ und Poulencs „Les chemins d’amour“.

Man könnte die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, so atemlos lauscht das Publikum – und applaudiert im Anschluss stehend. Der ohnehin schon bemerkenswerte Konzertabend wird in diesen Momenten auf eine neue Intensitätsstufe gehoben.

Elbphilharmonie: Pianistin Saskia Giorgini unterbricht Konzert

In der „Pianomania“-Reihe hatte Saskia Giorgini sich zuvor mit sehr unterschiedlichen Werken der Gattung Fantasie gewidmet. Gewiss, Schumanns Fantasiestücke op.111 sind häufiger zu hören und auch Chopins Polonaise-Fantasie As-Dur op. 61 ist nicht gerade eine Seltenheit, aber der Rest der Programms hätte ohne weiteres für das legendäre Festival der Klavierraritäten in Husum gepasst. Allen voran die 2009/2010 geschriebene Barkham Fantasy des Briten Mark Simpson, inspiriert von einem düsteren Moorgebiet, unwirklich-geisterhaft, so faszinierend wie beklemmend.

Am entgegengesetzten Pol der emotionalen Bandbreite: die Tyrolean Valse-Fantaisie op.116 der Amerikanerin Amy Beach (1867-1944), bei der die Melodie von „Kommt ein Vogel geflogen“ für einen fröhlichen Wiedererkennungsmoment sorgt. Als Zeitgenössisches gibt es außerdem Fazil Says mit folkloristischen und Jazz-Elementen gespickte Fantasiestücke op.2.

Elbphilharmonie: Saskia Giorgini verlässt bei Zugabe die Bühne

Ein weiterer Höhepunkt inmitten vieler Höhepunkte: Rimski-Korsakows Scheherezade op.35 (in der Klavierbearbeitung von Paul Gilson), von Saskia Giorgini so virtuos wie sinnlich gespielt ohne daraus – auch das ist eine Kunst – eine große Show zu machen.

2016 begann ihre Karriere mit dem Ersten Preis beim Internationalen Mozartwettbewerb in Salzburg, es folgte ein hoch gelobtes Debütalbum mit Werken des viel zu wenig gespielten George Enescu, zwei Lieder-CDs (mit Ian Bostridge) und zuletzt ein Album mit Liszts Harmonies poétiques et religieuses.

Auch dies kein Mainstream-Programm, sondern Ausdruck eines ganz eigenen künstlerischen Weges, der Saskia Giorgini hoffentlich schon bald wieder nach Hamburg führt. Ein in vielerlei Hinsicht unvergesslicher Abend.