Hamburg. Das Oratorium mit NDR Vokalensemble und Holland Baroque verlor seinen Pathos auf der neutralen Konzertbühne – und blieb zu brav.
Die bekannteste Händel-Oper, die er aber nie geschrieben hat? Klar, sein „Messiah“, der als Oratorium eine biblische Geschichte ausbreitet, und außerdem mehr Chorsätze bietet als das x-te Bühnendrama über diesen oder jenen tapferen antiken Helden und sein schwer erreichbares love interest.
Diesem Barock-Klischee wurde die „Messiah“-Aufführung des NDR Vokalensembles in der Elbphilharmonie am Sonntag nicht gerecht. Eigentlich schade, denn etwas mehr musikdramatischen orchestralen Schwung, mit markanter Betonung auf „dramatisch“, hätte dieser Abend schon verdient gehabt.
„Messiah“ in Elbphilharmonie: NDR Vokalensamble klangfein
Dass das NDR Vokalensemble mit knapp unter 30 Singenden auf der Bühne des Großen Saals (2G mit Maskenpflicht auch während des Konzerts, nicht ausverkauft) größere Abstände einzuhalten hatte, war nicht zu ändern, trug aber auch nicht direkt zur Eindringlichkeit seines Auftritts bei.
Doch gesungen wurde trotz der erschwerten Bedingungen sehr akkurat, beseelt diszipliniert und derart klangfein, wie man es von einem öffentlich-rechtlichen Chor dieser Güte erwarten darf. Die historisch informierte Verkleinerung des Personal-Aufwands sorgte ebenfalls für klare Durchhörbarkeit.
Hinter den Erwartungen zurück blieb das dazugebuchte Alte-Musik-Ensemble Holland Baroque. Das war, ohne größere Extravaganzen vom Chor-Chef Klaas Stok auf Linie gehalten, sehr ordentliche, ecken- und kantenlose Konventionsarbeit, zu brav letztlich, selbst für ein Oratorium.
Für das „Glory To God“ wurden die zwei Naturtrompeten als Spezialeffekt knapp unter dem Saalhimmel platziert, eine schöne Szenen-Idee. Beim „Hallelujah“ (nach dessen mitteltriumphalem Ende einige bereits den Saal verließen, weil der Händel-Hit schlechthin damit ja weggehört war) waren sie dann wieder ebenerdig neben der Pauke auf der Bühne dabei.
„Messiah“ – gut gemeistert, aber unterwältigend
Die Solisten: alle speziell und einige eigen. Als Einspringerin in allerletzter Minute beeindruckte die Sopranistin Kateryna Kasper mit wunderbarer, klarer Intensität. Sonderbar fehl am Platz wirkte daneben der Altus David Allsopp, dessen verdruckst enge, schmale Stimme so gar nichts Freischwebendes oder gar himmlisch Strahlendes zu bieten hatte.
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In einer ganz anderen Liga sang und gestaltete dagegen der Tenor Thomas Walker, der aus jeder seiner Arien eine große Show machte, als wolle er sich damit Szenenapplaus ersingen. Der Bass André Morsch gefiel im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Doch es blieb das Problem, dass diese Musik so sehr nach Überwältigung, Pathos und, ja, auch Action strebt und so theatral angelegt ist – und sich dennoch (gut gemeistert zwar, aber leicht unterwältigend) auf der neutralen Bühne des Konzertsaals verlor. Und damit unvollkommener wirkte, als sie ist.
Nächster „Messiah“: 18.12. 20 Uhr mit der Academy of Ancient Music, Tenebrae Choir u.a., Nigel Short (Dirigent). Elbphilharmonie, Großer Saal (evtl. Restkarten)