Hamburg. Mandolinen-Virtuose Avi Avital mit dem Barockorchester Il Pomo d’Oro in der Elbphilharmonie – manchmal wie ein Rockstar.
Wenn wir demnächst Zwischenbilanz ziehen, zum fünften Geburtstag der Elbphilharmonie, gehört ein Punkt unbedingt fett unterstrichen auf die Haben-Seite: Dass der Große Saal – vor allem für üppige Besetzungen gedacht – gerade auch den kleineren Ensembles aus der Alten Musik einen idealen Rahmen bietet. Die feinen Linien der Instrumente sind so klar abgebildet, dass man jede Nuance mitbekommt.
Diese Hellhörigkeit der Akustik machten sich auch Avi Avital und das Barockorchester Il Pomo d’Oro zu Nutze. Bei einem Gastspiel, das Werke des 18. Jahrhunderts zu einem fluffigen, italienisch gefärbten Programm gruppierte. In engem Kontakt mit dem Ensemble belebte Avital den Charme der Musik – besonders hübsch im Mandolinenkonzert von Emanuele Barbella, der seinem Werk reizende volksmusikantische Ideen unterjubelt. In der wiegenden Melodie des Andantino, die schneeflockenweich ins Ohr rieselt, aber auch im Finale, in dem die Mandoline knackige Akzente setzt und Avital zum barocken Headbanger aufglüht.
Beeindruckend, welche Bandbreite an Sounds und Facetten er aus seinem Instrument herauszupft, -kitzelt und -reißt, auch in der Bearbeitung eines Konzerts von Domenico Sarro. Manche Passagen verklingen im Pianissimo und verschwinden dann aber doch nicht ganz, weil der Raum das mitmacht; in anderen entfacht der Mandolinist eine Kraft, dass man überrascht nach einem verborgenen Verstärker auf der Bühne sucht.
Elbphilharmonie: Avi Avital musiziert mit dem ganzen Körper
Avi Avital spielt zwar im Sitzen, aber er musiziert oft mit dem ganzen Körper. Wenn seine Beine den Groove der Stücke mitwippen, oder wenn er sich nach vorne neigt, als wollte er in die nächste Phrase hineinhechten. Das Ensemble Il Pomo d’Oro nimmt die Impulse auf und federt sie zurück, ob im kammermusikalischen Dialog, bei Scarlattis d-Moll-Sonate, oder in voller Streicherpracht. Flexibel wechselt das Orchester zwischen Augenhöhe und Begleiterrolle und demonstriert auch in Stücken ohne Solisten sein Topniveau. Geführt von der fantastischen Konzertmeisterin Alfia Bakieva, taucht es in die dichten Harmonien von Durantes g-Moll-Konzert ein oder fetzt eine Fuge von Fiorenza. Stark.
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Trotzdem bleibt Avi Avital natürlich der Star des Abends. In der letzten Zugabe, einem virtuosen Prelude von Giovanni Sollima, erweitert er das Repertoire um metallische Sounds. Er schlägt die Saiten mit der Energie eines Rockstars – und lässt uns staunen, wie so ein zartes Instrument wie die Mandoline auch ganz allein den Saal füllen kann.